Bin ich hier der Depp
diese Privilegien dürfen sich die Männer raufen wie einst die Jungs auf dem Schulhof. Ein Mädchen tut das nicht!
Die häufigste Aussage, die ich von schlecht bezahlten Frauen im Gehaltscoaching höre: »Mein Chef muss doch sehen, was ich alles leiste!« Sieht er auch! Aber er schließt daraus eben nicht: »Weil sie viel leistet, muss sie mehr verdienen!« Sondern: »Weil sie viel leistet, ohne zu jammern, verdient sie offenbar genug.«
Ein weiterer Satz von Frauen in der Gehaltsberatung: »Ich will meinen Chef doch nicht in Schwierigkeiten bringen!« Das ist höchst empathisch. Aber auch höchst unklug! Denn ist es wirklich besser, selbst Schwierigkeiten zu haben, durch Unterbezahlung, als sie dem Chef zu bereiten, durch Forderung eines gerechten Gehaltes?
Die meisten Chefs vergeben die Gehälter nach dem Feuerwehr-Prinzip: Gelöscht wird dort, wo jemand Alarm schlägt. Und den Alarm schlagen vor allem die Männer. Der Gehaltsfluss steuert zielsicher in ihre Taschen. Der Arbeitsfluss trifft die Frauen.
Viele Frauen gehen mit Zweifeln in die Gehaltsverhandlung. [96] Vor allem Konjunktive sind es, die ihre Forderungen zu Versuchsballons machen, aus denen der Vorgesetzte schnell die Luft lässt:
»Ich glaube, es wäre allmählich Zeit für eine Gehaltserhöhung«, sagt die Mitarbeiterin.
»Aha, das glauben Sie also«, antwortet der Chef entspannt.
Sie, noch unsicherer: »Nun ja, vielleicht sollten Sie berücksichtigen, dass ich bereits drei Jahre zum selben Gehalt arbeite.«
»Und Sie sollten berücksichtigen: Der Gehaltsetat gibt das im Moment einfach nicht her. Wenn ich Ihnen mehr geben wollte, müsste ich es Ihren Kolleginnen wegnehmen. Wollen Sie das?«
»Das nicht, aber …«
»Im Moment ist nichts drin. Vielleicht in einem Jahr wieder.«
Das war’s. Chefs merken sofort, ob jemand zu allem entschlossen ist, also auch zu einem Wechsel, falls er seine Gehaltserhöhung nicht bekommt, wie manchmal die Männer. Oder ob es sich nur um ein scheues Pfeifen im Walde handelt, wie oft bei den Frauen. Durch die tastende Sprache (»glaube«, »wäre«, »allmählich«, »vielleicht«) hat der Chef gespürt: Ich kann ablehnen ohne Konsequenzen! Und der gelogene Hinweis auf die Kolleginnen, denen das Geld scheinbar geraubt werden müsste, bremst empathische Frauen aus.
Sogar weibliche Führungskräfte werden unter Wert bezahlt: Sie verdienen ein Drittel weniger als männliche Chefs. Eine Vorgesetzte wird im Schnitt abgespeist mit einem Stundenlohn von 27,64 Euro brutto, Männer bekommen 39,50 Euro. [97]
Mit den Frauen kann man es ja machen! Denken Chefs.
Und weil sie gewohnt sind, »es« mit den Mitarbeiterinnen machen zu können, fordern männliche Alphatiere gelegentlich Dienste, die laut Arbeitsvertrag nicht vorgesehen sind: Liebesdienste!
Immer wieder berichten mir Mitarbeiterinnen, dass sie von ihren Chefs sexuell belästigt werden. Das geht los mit Blicken, wenn der Chef beim Diktat die fehlenden Worte im Ausschnitt seiner Sekretärin sucht. Das geht weiter mit Anzüglichkeiten, etwa dem Spruch, mit dem ein Chef seine Assistentin seinen Managerkollegen in launiger Runde vorgestellt hat: »Ihr seht, warum ich sie eingestellt habe! Sie ist so gebaut, dass sie meinen Anforderungen gewachsen ist.« Dröhnendes Gelächter.
Und das endet mit Übergriffen wie bei einer jungen Marketing-Mitarbeiterin, die Taxi mit ihrem Chef fuhr und seine Hand plötzlich von ihrem Oberschenkel wischen musste. Wochenlang stellte ihr der Chef mit schlüpfrigen Bemerkungen nach, bis sie den Betriebsrat einschaltete und sich versetzen ließ.
Wie weit verbreitet sexuelle Belästigung an den Arbeitsplätzen ist, enthüllte Ende der 1980er Jahre die »Dortmunder Studie«, für die 4000 Frauen befragt wurden: Sieben von zehn Frauen gaben an, sie seien im Beruf schon einmal sexuell belästigt worden. Jede zweite Frau hatte mit schlüpfrigen Bemerkungen zu kämpfen, jede dritte mit unsittlichen Angeboten, und jede fünfte wurde sogar durch Busengrabscher belästigt. [98]
Meist steht das Opfer in der Hierarchie niedriger als der Täter. Sexuelle Belästigung ist Chefsache.
Hamsterrad-Regel: Wenn sich für eine Arbeit kein Blöder findet, weiß der Vorgesetzte, was zu tun ist: Er sucht eine Blöde!
Nur Arbeits-Babys schaukeln!
Das einzige Baby, das eine Frau schaukeln darf, ist ihre Arbeit. Aber wehe, sie bekommt Scharlach, Keuchhusten oder ein Kind! Wenn Frauen ausfallen, wird mit einem Schlag klar, wie viel Arbeit über ihren
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