Bin ich hier der Depp
Lohn-Diskriminierung spitze, 05.03.2012
[92] Knaths, Marion, Spiel mit Macht. Piper, 2009
[93] Süddeutsche Zeitung, 25.03.2008
[94] faz.net, 1.0 legt sich mit 0.1 ein dickes Ei ins Nest, 21.01.2013
[95] Harris, Thomas A., Ich bin o.k., Du bist o.k., Rowohl, 1975
[96] Wehrle, Martin, Geheime Tricks für mehr Gehalt. Econ, 2003
[97] Spiegel Online, Chefinnen verdienen 30 Prozent weniger, 04.10.2012
[98] Spiegel Online, Mal wieder »zufällig« am Po berührt, 24.01.2013
[99] Spiegel Online, Karrierekiller Kind, 01.07.2010
[100] faz.net, Unterm Glasdach, 06.07.2011
[101] LAG Berlin-Brandenburg 3 Sa 917/11
[102] Spiegel Online, Novartis zahlt Ex-Mitarbeiterinnen knappe 153 Millionen Dollar, 15.07.2010
Ausbildung in der Hölle: »Was Sie hier lernen, ist Lohn genug!«
In diesem Kapitel erfahren Sie unter anderem …
warum eine junge Frau, die Journalistin werden wollte, fast Sklavin geworden wäre,
weshalb der typische Azubi wenig über seinen Beruf, aber viel über Ausbeutung lernt,
warum der Praktikumsbericht, wäre er ehrlich, ein Horrorbericht sein müsste
und wie ein Auszubildender von seinem Chef als Privatgärtner eingespannt wurde.
Die Ausbeutungs-Maschine
Maximiliane Rüggeberg kochte vor Wut! [103] Was hatte sie mit ihren 22 Jahren nicht schon alles unternommen, um Journalistin zu werden. Gebüffelt am Gymnasium, für eine Endnote mit einer Eins vorm Komma. Rangeklotzt für ihren Bachelor in Medienwissenschaften, wieder Note eins. Geschrieben für Tageszeitungen, seit sie 16 war. Kein Praktikum gescheut, keine Fortbildung versäumt, keine Qualifikation ausgelassen.
Und was hatte es genützt? Nichts! Denn ihr größter Wunsch blieb unerfüllt: Sie fand kein vernünftiges Volontariat! Dabei wollte sie diese zweijährige Ausbildung zur Redakteurin unbedingt machen. Am 6. August 2012, nach etlichen Reinfällen, ging sie zum Angriff über. In ihrem Weblog, wo sie als »marue23« schreibt, rechnete sie ab mit der »Ausbeutungsmaschine Journalismus«. [104]
Dabei erhob sie ihre Stimme für Tausende: »(…) Was ich momentan in den Bewerbungsverfahren erlebe, ist so unglaublich, frech und unverfroren, dass ich mir unbedingt Luft machen muss. Auch weil ich weiß (…), dass es genug junge Leute gibt, die genauso behandelt worden sind und sich nicht trauen, den Mund aufzumachen.«
Während sich die meisten Bewerber über Absagen empören, empörte sich die Bewerberin Rüggeberg über Zusagen. Die Angebote der Verlage waren so schlecht, so heimtückisch und ausbeuterisch, dass sie am liebsten »schreiend aus dem Büro gelaufen« wäre. Zum Beispiel bei einer großen Tageszeitung. Dort hatte man sie ins Kreuzverhör genommen und sinngemäß gefragt: »Welche Erfahrungen bringen Sie mit?«, »Wie sieht Ihre Ausbildung aus?«, »Warum wollen Sie ausgerechnet hier anfangen?«
Mit Engelszungen redete sie, bis der Chefredakteur überzeugt war. Doch was er zusagte, war kein Volontariat, sondern »zunächst« eine Hospitanz in einer Lokalredaktion. Ausgerechnet sie, die als freie Mitarbeiterin seit sechs Jahren für eine Lokalredaktion arbeitete, sollte dasselbe Feld erneut beackern.
Noch dreister war das Gehaltsangebot: Die Zeitung wollte sie mit 1000 Euro brutto abspeisen, knapp 60 Prozent des Volontärs-Tarifs. Und am dreistesten: Die Hospitanz garantierte ihr das Volontariat nicht, sondern sollte eine Art Vorrunde sein, die sie hätte überstehen müssen, um sich für die Endrunde zu qualifizieren – im Gladiatorenkampf um das Volontariat!
Gleichzeitig stellte die Zeitung Ansprüche: Rüggeberg sollte sich verpflichten, am Redaktionssitz eine Wohnung zu nehmen. Aber wie hätte sie die von 700 Euro netto bezahlen sollen? Der Chefredakteur meinte: »Wir wissen, davon kann man kaum leben, aber verstehen Sie das bitte nicht als Ausbeutung.« Wie denn sonst?
Beim nächsten Anlauf stellte sich Rüggeberg bei einem Verlag vor, der ihr im Vorfeld eine Hausarbeit aufgegeben hatte: Sie musste einen Fachartikel von 4000 Zeichen verfassen, natürlich honorarfrei: »Also recherchierte ich wie verrückt, telefonierte mit Experten und schrieb mir die Finger wund.«
Scheinbar eine gute Investition, denn sie bekam die Zusage und freute sich »wie ein Schneekönig«, auch weil das Gehalt stimmte: »(…) sogar die Bezahlung war in Ordnung. ›Wir zahlen ungefähr Tarif‹, hieß es. ›Also so ungefähr 1700 Euro?‹, hakte ich nach. ›Joa‹, die Antwort.«
Endlich geschafft! Rüggeberg feierte Abschied in der
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