Bin ich hier der Depp
Und die Erfahrung dient als goldenes Bindeglied, um das Wissen an den richtigen Stellen mit der Arbeitspraxis zu verlinken, zum Vorteil der Firma (ein Bindeglied, das Berufsanfängern oft fehlt, weshalb sie ihr Wissen nur schwer nutzen können).
Wer in einer Firma viel erlebt und gesehen hat, seine Arbeit und seine Kunden seit Jahrzehnten kennt, der verfügt über große Schätze an unternehmensspezifischem Wissen – und kann ein gehobenes Gehalt mehr als wert sein!
Wenn man sich die Firma als ein Land vorstellt, dann sind ältere, langjährige Mitarbeiter die Ureinwohner. Sie sprechen noch die Landessprache, nicht den eingeschleppten Dialekt. Sie kennen ihre Firma bis in den letzten Winkel, die Kultur, die Eigenarten, die praktischen Abkürzungen auf Arbeitswegen, nach denen der Neuling erst Jahre suchen muss. Sie sahen etliche Manager kommen und gehen. Gehört haben sie, was diese Manager versprachen, und gesehen, was daraus geworden ist.
Niemand kann so gut wie sie einschätzen, was zu einer Firma passt: welche Mitarbeiter, welche Geschäftsfelder, welche Ideen. Niemand weiß besser, was die langjährigen Kunden wollen und wie man mit ihnen umgeht. Vor allem wissen sie genau, an welchen Kreuzungen sich die Praxis von der Theorie verabschiedet: wo ein Projekt haken, ein Termin platzen, eine Strategie auf Grundeis laufen wird.
Diese langjährigen Mitarbeiter sind nicht »Teil des Unternehmens«, wie es in Reden heißt: Sie sind das Unternehmen. Es pulst in ihren Adern. Und ihr Kopf ist das Archiv. Wenn ein Manager eine neue Strategie ankündigt, müssten die Börsenanalysten nur ein paar langjährige Mitarbeiter fragen: »Kann’s was werden?« Wenn die Ureinwohner die Köpfe schütteln: Verkaufsempfehlung! Dasselbe Bauchgefühl beweisen Ältere beim Urteil über Personalentscheidungen. Oft führt der neue Chef einen Kollegen mit Trommelwirbel ein, aber die Ureinwohner sagen: »Der passt nicht zu uns.« In drei von vier Fällen scheitert der Neue tatsächlich. Der Chef merkt das ebenfalls. Zwölf Monate später!
Wenn eine Familie ihre Omi ins Heim abschiebt, ist das herzlos. Wenn Firmen ihre Älteren rausdrängen, ist das hirnlos. Ältere Mitarbeiter sind nicht auf Mitleid angewiesen, nicht auf Almosen und Gnadenbrot. Aber die Firma ist angewiesen auf ältere Mitarbeiter, auf ihre Erfahrung und ihr Können. Der Chef, der sie bedenkenlos feuert, merkt das ebenfalls. Aber wieder erst dann, wenn es zu spät ist (siehe nächstes Kapitel)!
Hamsterrad-Regel: Es gibt zwei Wege, wie ein Mitarbeiter sterben kann: den natürlichen Tod – und den Vorruhestand.
Die unerwünschte Geh-Hilfe
Die Revolution frisst ihre Kinder. Und der Jugendwahn frisst manchmal seine Manager. Ein Lied davon singen kann der Klinik-Direktor Jekabs Leititis. [111] Sein Vertrag mit einer Kölner Klinik lief 2009 aus. Er war 62 Jahre alt und wollte verlängern. Doch sein Arbeitgeber setzte ihm einen 41-Jährigen als Nachfolger vor die Nase.
Den Jüngeren qualifizierte vor allem eines: dass er jünger war! Diese Meinung ließ der Aufsichtsratsvorsitzende in der Presse durchblicken: Der junge Direktor könne die Klinik »langfristig in den Wind stellen«. Der bisherige Klinikchef sei zu alt, um eine »Führungskontinuität« über die nächsten fünf Jahre zu gewährleisen.
Aber wie vertrug sich diese Aussage mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ( AGG ), das eine Diskriminierung wegen des Alters ausdrücklich untersagt? Gar nicht, meinte das Oberlandesgericht Köln – und sprach dem Direktor 36 600 Euro Entschädigung zu. Der Bundesgerichtshof ( BGH ) sah das genauso und schlug vor, Leititis mit noch mehr Geld zu entschädigen.
Von solchen Urteilen können die Ureinwohner der Firma, die langjährigen Mitarbeiter, nur träumen. Ihre Ausrottung geht ohne gerichtsfeste Spuren über die Bühne. Das Management signalisiert ihnen, dass sie so erwünscht sind wie Salmonellen im Kartoffelsalat. Die Firma will sie ausscheiden! Koste es, was es wolle.
Ein Konzern in Nordrhein-Westfalen hat die alten Mitarbeiter mit folgender Strategie vertrieben: Erst haben die Vorstände gemahnt, ihr Unternehmen müsse »zukunftsfähig« werden. Damit klar war, wer in dieser Firma keine Zukunft mehr hatte, beschworen sie »mehr jugendliche Dynamik« und einen »Generationenwechsel«. Das klang, als sollte ein Staffelstab weitergereicht werden, ganz friedlich.
Aber so war es nicht! Die Geschäftsleitung baute Druck auf. Die Prämienziele der Abteilungsleiter
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