Bin ich hier der Depp
Chancen haben, wenn auch nur auf Absagen
und wie es in einem Vorstellungsgespräch zu einem kuriosen Hörtest kam.
Opi, raus mit dir!
Naturvölker verehren ihre Stammesältesten. Alle hören zu, wenn sie erzählen, und tun, was sie empfehlen. Die Stammesältesten gelten als weise. Wenn einer stirbt, steigen Trauergesänge zum Himmel.
Ein Klagelied wegen der alten Mitarbeiter dringt auch aus deutschen Firmen. Aber nicht, weil sie gestorben, sondern weil sie noch am Leben sind, sprich auf der Gehaltsliste! Und um der natürlichen Personalsterblichkeit nachzuhelfen, verwenden die Unternehmen ein Gift der besonderen Art: den Vorruhestand.
Was die Firmen an den Älteren stört, ist nicht die Zahl der Lebensjahre, sondern die Zahl auf dem Gehaltszettel. In Deutschland gilt immer noch das Prinzip der Seniorität; mit dem Alter wächst die Vergütung. Wenn ein Hochschulabgänger als 25-Jähriger mit 40 000 Euro einsteigt und jedes Jahr 2 Prozent mehr bekommt, verdient er mit 50 rund 66 000 Euro. Und nun fragt sich der Milchmädchen-Manager: »Warum soll ich für einen Alten 65 Prozent mehr bezahlen?«
Um als »alt« zu gelten, reicht es in manchen Branchen, das 35. Lebensjahr überschritten zu haben. Zum Beispiel brennen bei den meisten Unternehmensberatern noch keine 30 Kerzen auf der Geburtstagstorte, wenn die Firma sie rausdrängt, um Jüngere und damit Billigere nachrücken zu lassen. Ähnlich rau sind die Sitten in der Internet-Branche, in der Werbung und im Mode-Handel. Greenhorns werden hofiert, Stammesälteste abserviert.
Aber das Abservieren ist gar nicht so einfach! Ältere Mitarbeiter sind wie Atommüll: Sie bereiten Entsorgungsprobleme! Je mehr Dienstjahre einer geleistet hat, desto ausgeprägter ist sein Kündigungsschutz. Die Firma kann ihn nicht einfach entlassen, sonst winkt ihn das Arbeitsgericht durch den Hinterausgang wieder rein. Und ein Ticket nach Gorleben hilft auch nicht weiter. Gefragt sind Wege der sanften Entsorgung.
Zum Beispiel heißt es im Rundschreiben eines großen Verpackungsherstellers: »Wir wollen uns bei langjährigen Arbeitskräften, die sich für die Firma verdient gemacht haben, mit dem Angebot bedanken, dass sie schon einige Jahre vor dem offiziellen Renteneintritt ausscheiden können.«
Die Stammesältesten sind weise genug, die wahre Botschaft zu lesen: »Ihr alten Saftsäcke, das ist eure letzte Chance! Entweder ihr nehmt unser schäbiges Angebot für einen Auflösungsvertrag an – oder wir ekeln euch raus!«
Interessanterweise entspringt der Jugendwahn den Vorstandsetagen. Grauhaarige Männer, oft jenseits der 60, überlegen fieberhaft, wie sie Mitarbeiter ab 50 loswerden (sich selbst natürlich ausgenommen!) und überdurchschnittliche Gehälter von der Lohnliste streichen können (ihr eigenes Millionengehalt natürlich ausgenommen!).
Wann immer sich die Gelegenheit bietet, spreche ich Manager auf diesen Widerspruch an. Dann kommt es zu Dialogen wie diesem:
»Ich verstehe das nicht! Auf der einen Seite fordern Sie junge Mitarbeiter, auf der anderen Seite hat keine Abteilung einen so hohen Altersdurchschnitt wie Ihre Vorstandsetage: Wie passt das zusammen?«
»Bei uns im Management ist das etwas anderes! Man sammelt ein Leben lang Erfahrungen, um sie an der richtigen Stelle einzusetzen.«
»Aber das ist bei Mitarbeitern doch genauso!«
»Nein! Mitarbeiter dürfen nicht einrosten. Unser Unternehmen braucht neue Ideen. Und das Wissen muss bei Fachkräften auf dem aktuellen Stand sein.«
»Das heißt: Manager wie Sie dürfen einrosten? Brauchen keine neuen Ideen? Und kein Wissen auf dem aktuellen Stand?«
Spätestens jetzt wird der Manager unwirsch: »Der Kapitän darf älter sein als die Crew! Das ist doch ganz normal. Und das ist ein Vorteil bei der Kopfarbeit!«
Aha, daher weht der Wind! Die Mitarbeiter werden noch immer als ausführendes Organ gesehen, als kopflose Lakaien, die das Deck schrubben, die Galeere rudern und hübsch den Mund halten sollten – während die Kopfarbeit im Management verrichtet wird!
Der Wert einer Erfahrung hängt davon ab, wer sie gemacht hat. Was ein Manager im Laufe der Jahre erlebt hat, verschmilzt in seinem Kopf zu Erfahrungsgold. Aber was ein Mitarbeiter erlebt hat, schwappt als unnütze Erfahrungsbrühe durch seinen Schädel.
Dieser Standpunkt geht arrogant darüber hinweg, dass die meisten Mitarbeiter heute Spezialisten sind, die ihr Fach besser als jeder Manager beherrschen. Der Kopf ist ihr Werkzeug, das Wissen ihr Kapital.
Weitere Kostenlose Bücher