Bin ich hier der Depp
von den Leitern und ihren Stellvertretern geführt wurden. Interessanterweise waren fast alle Stellvertreter ziemlich jung und fast alle Leiter ziemlich alt. So höhlte das Unternehmen die Macht der Älteren weiter aus.
Ich rief bei der Zeitung an und protestierte. Der Lokalchef gab sich verblüfft: »Was wollen Sie eigentlich? Der Artikel wurde von Ihrer Firma so eingereicht!« Anscheinend hatte die Pressestelle den fertigen Text mit Foto verschickt, und diese Hofmalerei war unverändert gedruckt worden.
»Berichten Sie doch mal über die Tiefschläge gegen die Alten in unserer Firma!«, schlug ich vor und erzählte davon. Der Redakteur lehnte ab: »Das geht nicht! Ihre Firma ist unser wichtigster Anzeigenkunde, wir können ihr nicht ans Bein pinkeln.«
Ersatzweise traf es die Beine der älteren Mitarbeiter!
Jana Reger, Qualitätskontrolleurin
Die Abwrack-Prämie
Der Satz ihres Chefs traf die Software-Verkäuferin (56) wie eine Ohrfeige: »Ihr Fachwissen ist überholt, Sie haben den Anschluss verpasst.« Das klang, als habe sie sich jahrelang gegen Fortbildungen gesträubt. Dabei hatte sie immer wieder Kurse für neue Software beantragt. Und immer wieder hatte ihr Chef die Jüngeren vorgezogen und ihr gesagt: »Sie sind erfahren, Sie haben das gar nicht nötig!«
Die jüngeren Kollegen kamen von den Fortbildungen als verschworene Gemeinschaft zurück, hatten zusammen gelacht, gelernt, gefeiert. Und je enger sie zusammenrückten, desto mehr fühlte sie sich als ältere Kollegin an den Rand gedrängt. Sie war noch da, gehörte aber nicht mehr dazu.
Erst recht, weil sie mit jeder neuen Produktgeneration weniger von jener Software verstand, die sie erklären und verkaufen sollte. Die Jungen waren zur Bildungselite gezüchtet worden, und ihr blieb nur die Rolle der Bettlerin: Sie musste um Unterstützung bitten, wenn sie im Beratungsgespräch mal wieder eine Frage des Kunden nicht beantworten konnte. Durfte es da wundern, dass ihr Ansehen schwand?
Und nun schwang sich der Chef zum Ankläger auf und warf ihr vor, ihr fehle jenes Wissen, das er ihr doch persönlich verweigert hatte! Ihren Protest wies er zurück: »Sie hätten da mehr am Ball bleiben sollen! Die jungen Kollegen lassen nicht locker, ehe sie grünes Licht für ihre Fortbildungen haben.«
Sein Angebot war ein »sanfter Ausstieg«, wie er das nannte: »Sie können noch ein Jahr bei uns arbeiten, auf einer 50-Prozent-Stelle. Dann haben Sie genügend Zeit, sich etwas anderes zu suchen.«
An den Fortbildungen lässt sich ablesen, wie es um die Zukunft der Älteren steht. Ehe ein Chef in einen Mitarbeiter investiert, stellt er dieselbe Frage wie vor der Reparatur eines alten Autos: »Lohnt es sich noch? Oder wäre der Schrottplatz günstiger?«
Das Spiel der Abwracker ist menschenverachtend: Erst hungern sie die älteren Mitarbeiter in Sachen Fortbildung aus, dann werfen sie ihnen das dünne Fachwissen vor. Erst drängen sie die Älteren aus dem Kreis der jungen Kollegen, dann heißt es: »Sie sind nicht integriert!« Erst werden sie zum Abschuss freigegeben, dann lautet die Klage: »Die jungen Kollegen kommen mit Ihnen nicht klar!«
Mit solchen teuflischen Taktiken ekeln sie die Älteren hinaus und kassieren dafür oft noch eine »Abwrack-Prämie«. Mal landen die Geschassten im Vorruhestand, mal im Burn-out, mal in Hartz IV , mal in der Nervenklinik – je nachdem, wie persönlich sie es nehmen, dass der krönende Abschluss ihres Berufslebens nur ein krönender Abschuss ist.
Den Fortbildungs-Entzug der Älteren belegt eine Studie des Wirtschaftsprüfungsunternehmens PricewaterhouseCoopers: [112] Während in neun von zehn Firmen Akademiker unter 35 Jahren sehr häufig oder häufig weitergebildet werden, trifft das auf Beschäftigte über 50 nur in jeder dritten Firma zu. Die Neuwagen werden für die Rennstrecke des Arbeitslebens getunt, die Schrottautos für die Metallpresse fertiggemacht.
Gleichzeitig geben in derselben Studie neun von zehn Unternehmen an, es sei schwierig, freie Stellen mit Akademikern zu besetzen. Und 85 Prozent der Unternehmen mit alternder Belegschaft gehen von einem zunehmenden Fachkräftemangel aus. Erst werden die Autos verschrottet, aber dann – oh Wunder! – fehlen sie plötzlich im Fuhrpark!
Gerade im Einzelhandel gehen Firmen dazu über, sich auf jugendlich zu bürsten. Im Verkauf setzen sie auf junge Gesichter, um junge Produkte zu verkaufen, junge Kunden zu erreichen und Gehälter zu bezahlen, die ebenfalls
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