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Bin ich hier der Depp

Bin ich hier der Depp

Titel: Bin ich hier der Depp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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solches Klima erzeugen kann?
    Dann gerät er in denselben Teufelskreis wie der Wüstenwanderer: Weil er sein Ziel, sagen wir den Termin, im ersten Anlauf verfehlt, verstärkt er seine Anstrengung. Er arbeitet noch länger, noch härter, noch konzentrierter – obwohl seine Kraftreserven schon vermindert sind. Und weil er härter arbeitet, schwinden seine Kraftreste noch schneller.
    Ein Arbeitserfolg könnte ihn retten. Aber was er mit voller Kraft nicht schaffte – den unrealistischen Termin zu halten –, schafft er mit halber Kraft noch weniger. Obwohl der Chef natürlich behauptet: »Das ist zu machen! Strengen Sie sich mehr an!« Der Mitarbeiter beißt auf die Zähne, powert noch mehr. Mit letzter Kraft läuft er erneut aufs Ziel los – bis er, wie der Wüstenwanderer, zusammensackt, wenigstens psychisch.
    Harte Arbeit allein zieht noch keinen Burn-out nach sich. Es gibt Forscher, die 15 Stunden am Tag in ihrem Labor tüfteln, Schriftsteller, die ihren Schreibtisch nur zum Schlafen verlassen – und die doch ausgeglichen sind, weil sie aus ihrem Arbeitserfolg neue Energie ziehen. Dasselbe kann für körperliche Arbeit gelten, wie schon Albert Einstein wusste: »Holzhacken ist deshalb so beliebt, weil man bei dieser Tätigkeit den Erfolg sofort sieht.« Aber welche Erfolge sieht der heutige Büroarbeiter?
    Harte Arbeit führt vor allem dann zum Burn-out, wenn jemand alles gibt, aber nichts zurückbekommt, weder Erfolg noch Anerkennung.
    Dass schlechter Führungsstil noch stärker zum Burn-out beiträgt als eine hohe Arbeitsbelastung, geht aus amerikanischen Studien hervor. [129] Diesen Befund kann ich für Deutschland bestätigen. Unrealistische Anforderungen erzeugen Stress, dem sich Mitarbeiter nur schwer entziehen können. Wenn Beschäftigte von ihrem Vorgesetzten nur eingespannt, aber nicht einbezogen werden, wenn sie Entscheidungen umsetzen müssen, die ihrem Selbstanspruch widersprechen und wenn ihnen der kalte Atem des Sparwahns in den Nacken bläst, während die Qualität ihrer Arbeit für zweitrangig erklärt wird – dann verliert ihr Berufsleben die wichtigste Energiequelle: den Sinn!
    Oft sind Mitarbeiter nur noch Figuren auf dem Schachbrett, die nicht selbst über ihre Arbeitszüge entscheiden können, psychisch mattgesetzt. Wer sich als Krankenschwester vom Chefarzt scheuchen lassen, deshalb Patienten vernachlässigen und gegen seine Ideale handeln muss, ist einer höheren Burn-out-Gefahr ausgesetzt als dieser Chefarzt selbst, der sich seine Arbeit frei einteilen kann, so stressig sie auch sein mag (das ist auch der Grund, warum der Chefarzt eine höhere Lebenserwartung als die Krankenschwester hat).
    Ein weiterer Burn-out-Beschleuniger ist der permanente Veränderungsdruck. Ich habe verfolgt, dass Mitarbeiter eines Konzerns jahrelang im Auftrag der Geschäftsleitung für ein Ziel gekämpft haben, das dann über Nacht zurückgerufen und zum dummen Irrweg erklärt wurde. Ihre komplette Arbeitsbiografie war erdrutschartig verschwunden, und ein Zustand depressiver Lähmung setzte ein.
    Als Wegweiser aus der Erschöpfung gelten die privaten Ressourcen: Familie, Freunde und Hobbys. Das Fatale ist nur: Wer durch die Arbeitswüste gewandert ist, hat dafür viel Zeit und Energie gebraucht. Derweil können seine privaten Ressourcen verkümmert sein. Die Scheidungsrate unter Dauergestressten ist gigantisch. Wo die Joggingschuhe stehen, wissen sie schon nicht mehr. Und wer über Jahre nie für seine Freunde da war, kann im Krisenfall nicht erwarten, dass seine Freunde für ihn da sind.
    Und wie reagiert die Firma? Demselben Mitarbeiter, der in den Burn-out getrieben wurde, wird dieser Burn-out nun vorgehalten: »Sie sind dem normalen Stress einfach nicht gewachsen!«
    So mancher Arbeitswanderer bleibt in der Wüste liegen.
    Hamsterrad-Regel: Ein Unternehmen, das höchste Ansprüche an seine Mitarbeiter stellt, hat viele Außenstellen. Die bestfrequentierte nennt sich: Burn-out-Klinik.
    Deppen-Erlebnisse
    Wie Herr W. das Gespött einer Führungsrunde wurde
    Ich war frisch in die Führungsriege des großen Rückversicherers aufgerückt. Im Jour fixe besprachen wir die Personalplanung für ein großes Projekt: »Ist Herr W. immer noch krank?«, fragte ein Bereichsleiter. Ein Kollege antwortete: »Angeblich. Herr W. weiß schon, wie man das in die Länge zieht.«
    »Eine Frechheit! Der und ein Burn-out – dass ich nicht lache!«
    »Was soll ich tun? Auf der Krankmeldung müsste eigentlich stehen: Simultantitis

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