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Bin ich hier der Depp

Bin ich hier der Depp

Titel: Bin ich hier der Depp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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im fortgeschrittenen Stadium.«
    Die Runde lachte. Ich nicht. Der Arbeitsdruck im Konzern war hoch, ich selbst angeschlagen. Egal wie spät ich Feierabend machte, ich hatte immer zu wenig geschafft. Vor dem Einschlafen nahm ich mir Mails und Dokumente an meinem Laptop vor, ebenso nach dem Aufwachen. Dieser Konzern war ein großes Hamsterrad, Führungskräfte strampelten genauso wie Mitarbeiter. Aber niemand gab zu, dass er nicht mehr konnte.
    Und wenn einer den Mut hatte, wie dieser Mitarbeiter, traf ihn der Spott. Als zum x-ten Mal über »Herrn W.« gelacht wurde, fragte ich ernst: »Wie heißt der Mitarbeiter mit ganzem Namen? Ich finde es merkwürdig, dass Sie alle nur ›Herr W.‹ sagen.«
    Die ganze Runde prustete, und ich erfuhr: »W.« stand nicht für einen Namen – »W« stand für »Weichei«! Sie, die harten Eier – er das weiche! Nur darüber, dass die Schale eines harten Eis genauso leicht wie die eines weichen bricht, hatten sie nicht nachgedacht. Diese Eierköpfe!
    Arno Lübbers, Volkswirt
    Wie eine Psychologin als Alibi diente
    Wahrscheinlich waren wir deutschlandweit die Nummer 1, aber nur in Sachen Burn-out. Immer wieder mussten ausgebrannte Kollegen durch Kuren aufgepäppelt werden. Meine Arbeit war wie Wasserschöpfen in einem lecken Boot: Ich schüttete einen Eimer raus, derweil flossen zwei neue nach. Das Boot sank immer tiefer, fertig wurde ich nie.
    Dann verkündete die Firma stolz, sie habe »einen wichtigen Schritt in der Burn-out-Prävention« eingeleitet. Eine Diplompsychologin und Burn-out-Expertin sei gewonnen worden, das Unternehmen rund um den Arbeitsstress zu beraten. Bei einer Versammlung stellte sich die Psychologin vor. Zum Beispiel sagte sie: »Wenn Sie sich dauerhaft überfordern, schaden Sie nicht nur sich, sondern auch Ihrem Arbeitgeber. Haben Sie den Mut, eine Grenze zu setzen, ehe es zu spät ist – sagen Sie auch mal ›Nein‹!«
    An dieser Stelle gab es spontanen Applaus, auch von den Vorgesetzten. Der lokale Radiosender berichtete über die Veranstaltung und attestierte der Firma, ihre »Mitarbeiter vorbildlich gegen Überlastung zu schützen«.
    Ein paar Tage später wollte ich den Rat der Expertin umsetzen.
    »Können Sie bitte die Koordination mit dem Zulieferer übernehmen?«, fragte mein Chef.
    »Nein«, sagte ich, »mein Schreibtisch ist schon mehr als voll.«
    Er war sichtlich irritiert. »Aber das muss gemacht werden! Das ist dringend.«
    »Nein«, sagte ich, »im Moment geht das wirklich nicht.«
    Sein Gesicht bekam rote Flecken. »Was bilden Sie sich ein? Wir alle sind überlastet, nicht nur Sie!«
    »Aber die Burn-out-Beraterin hat doch gesagt …«
    Sein Kopf schwoll an wie ein roter Luftballon kurz vorm Platzen: »Ihr Chef ist nicht sie – das bin ich. Und ich sage Ihnen: Sie machen das jetzt. Dafür werden Sie bezahlt!«
    Mit diesen Worten schmetterte er mir die Unterlagen auf den Tisch.
    Was bringt eine Burn-out-Beraterin, wenn sie im Alltag nichts zu melden hat? Was bringen ihre Ratschläge, wenn sie von Vorgesetzten ausgehebelt werden? Den Mitarbeitern nichts, aber der Firma: kostenlose Werbung im Radio!
    Katja Voigt, Grafikdesignerin

    [118] berliner-zeitung.de, Prominente mit Burn-out-Erfahrung, Fotostrecke
    [119] s. berliner-zeitung.de, 29.01.2013
    [120] Journal of Social Issues. Jg. 30, Nr. 1, 1974
    [121] Dilger, Andreas u.a., Kursbuch Geschichte. Cornelsen, 2002
    [122] bpb.de, Daten und Fakten: Arbeitslosigkeit, 01.06.2010
    [123] ebenda
    [124] Erhard, Ludwig, Wohlstand für alle. Anaconda, 2009
    [125] s. bpb.de, 01.06.2010
    [126] ebenda
    [127] Der Spiegel, 39/1990
    [128] stern.de, Kapitalismus brutal, 19.02.2005
    [129] Cherniss, Cary, Professional burnout in human service organizations. Praeger, 1980

Teil 2 – Ich stehe nicht mehr zur Verfügung!

Der Depp-Faktor-Test: Wie sehr lassen Sie sich ausnutzen?

In diesem Kapitel erfahren Sie unter anderem …
ob Ihr Leben zum Berufsleben zu schrumpfen droht,
ob Ihr Unternehmen den Begriff »Fairness« buchstabieren kann,
wie groß Ihr persönliches Burn-out-Risiko ist
und ob Sie von anderen als Depp vom Dienst missbraucht werden.
    Depp werden ist nicht schwer …
    Die Deppen-Fänger gehen um in den Firmen. Ihr Netz lauert auf jeden. Gutmütige Mitarbeiter können ausgenutzt, fleißige überfordert, ehrgeizige zu Sklaven gemacht werden. Aber nicht jeder, der zum Depp gemacht wird, merkt es.
    Dieser Test gibt Ihnen die Chance, die Depp-Fallen Ihres Berufslebens auszuleuchten: Wer versucht, Sie zum

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