Bin ich hier der Depp
und den Termin sausen lassen?«
»Dann heißt es: ›Wir sind bekannt für unsere Pünktlichkeit – jeder Lieferverzug ist eine Geschäftsschädigung‹!«
»Das klingt, als könnten Sie es nur falsch oder falsch machen.«
Zum ersten Mal in unserem Gespräch kamen seine Hände in Bewegung und klopften zustimmend auf den Tisch: »Genauso ist es! Wenn ich schlampig arbeite, verrate ich meinen eigenen Anspruch. Wenn ich Termine verfehle, ebenso!«
Nun wollte ich noch mehr über die Rolle der Firma erfahren: »Wie kommt es eigentlich, dass die Termine so eng gesetzt werden?«
»Die Geschäftsleitung nimmt die Aufträge an, ohne Rücksicht auf die Kapazitäten. Und in unserer Produktion stehen viele Maschinen, die eigentlich schrottreif sind. Immer wieder gibt es Lieferverzögerungen, weil die Maschinen ausfallen. Das macht mich vollkommen wahnsinnig. Am liebsten würde ich morgens im Bett bleiben und hier nie mehr aufkreuzen!«
Nach Gesprächen mit anderen Mitarbeitern, die ähnlich verliefen, war mir klar: Es lag nicht an der Belegschaft, dass der Stress sie würgte – es lag daran, dass die Firma bei ihren Terminzusagen äußerst großzügig war, aber beim Personal und bei den Maschinen äußerst geizig. Die Mitarbeiter sollten richten, was nicht zu richten war. Der Burn-out ging nicht zufällig um, er hielt eine persönliche Einladung der Geschäftsleitung in den Händen.
Entsprechend fiel meine Rückmeldung an den Prokuristen aus. Ich bot ihm an, mit seiner Belegschaft Vorschläge zu entwickeln, wie sich die Arbeit besser organisieren ließe und welche Investitionen dazu notwendig seien. Er versprach, darüber nachzudenken.
Ich habe nie wieder von ihm gehört.
Hamsterrad-Regel: Eine Henne hat nichts mit dem Ei zu tun, das sie legt – eine Firma nichts mit den Burn-outs, die sie produziert.
Wandern in der Wüste – so kommt es zum Burn-out
Stellen Sie sich vor, ein Wüstenwanderer bricht auf zur nächsten Oase, um seinen Durst mit frischem Wasser zu stillen. Die Sonne brennt auf seinen Nacken, der Sand glüht unter seinen Schuhen. Doch weil ihm frisches Wasser winkt, marschiert er immer weiter durch die beschwerliche Trockenheit.
Dann die Enttäuschung: Die Oase ist ausgetrocknet. Erschöpft sinkt er auf den Boden. Eigentlich wollte er hier Kraft für den Rückweg tanken. Doch nun wird ihm klar: »Die Dürre ist dieses Jahr besonders groß! Ich muss noch rascher laufen, um die nächste Oase zu erreichen, ehe auch sie ausgetrocknet ist.«
Erneut eilt er in die Wüste, mit schnelleren Schritten und größerem Durst. Er beißt die Zähne zusammen, ignoriert seine Schmerzen, denkt nur noch ans rettende Wasser. Sein erster Anlauf war erfolglos – deshalb legt er, obwohl schon angeschlagen, in den zweiten Anlauf noch mehr Kraft.
Der Marsch zur zweiten Oase scheint ihm endlos. Als er ankommt, stellt er fest: Die Dürre war wieder schneller. Seine Beine sind so schwer, dass er kaum noch laufen kann. Sein ganzer Körper schreit nach Wasser. Und doch weiß er: »Zur dritten Oase muss ich noch schneller laufen! Damit mir die Dürre nicht erneut zuvorkommt. Damit ich trinken kann, ehe ich zusammenbreche.«
Noch einmal läuft er in die glühende Wüste. Seine Beine versagen. Auf halbem Weg bleibt er liegen.
Eine langwierige Arbeitsaufgabe ist wie eine Wüstenwanderung: Sie kostet Kraft und Energie. Und was für den Wüstenwanderer das Wasser der Oase, ist für den Mitarbeiter der Arbeitserfolg. Ein Budget will er einhalten, einen Termin erreichen, einen Kunden zufriedenstellen. Gelingt ihm das, kann er sich am Erfolg laben wie der Durstige am Wasser. Er wird von seinen Strapazen erlöst und tankt neue Energie – erst recht, wenn seine Leistung Anerkennung findet, zum Beispiel durch den Chef.
Dann hat sich der Marsch durch die Arbeitswüste gelohnt, dann kann er sich entspannen. Die Energie, die der Mitarbeiter für den Erfolg aufgewendet hat, und jene, die er aus ihm bezieht, halten sich die Waage; seine Energiebilanz ist ausgeglichen.
Aber was geschieht, wenn der Mitarbeiter trotz größtem Einsatz sein Ziel nicht erreicht? Wenn er alles tut, um einen Termin einzuhalten, der aufgrund unrealistischer Vorgaben nicht einzuhalten ist? Wenn er wie verrückt kämpft, um dem Kunden einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, der aber aufgrund der Konzern-Bürokratie nicht zu gewährleisten ist? Wenn er alles daransetzt, in seinem Team ein gutes Klima zu erzeugen, aber durch stetige Personalkürzungen kein
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