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Bin ich hier der Depp

Bin ich hier der Depp

Titel: Bin ich hier der Depp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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Menschen arbeiten mit dem Rücken an der Wand, auch weil Übermenschliches von ihnen erwartet wird. Das Gefühl der Unzulänglichkeit, das Gefühl, nicht schnell, nicht effektiv, nicht gut genug zu sein, ist der ewige Schreibtischnachbar, und es ruft: »Sei schneller! Sei effektiver! Sei besser!«
    Und nie weiß ein Arbeitnehmer, ob es jene Firma, die er morgens betritt, am Abend noch in derselben Form gibt – oder ob sie im Laufe des Tages von einem Konkurrenten geschluckt, ans andere Ende der Welt verlagert oder zum Abfallprodukt einer Fusion gemacht worden ist.
    Die Arbeitswelt ruht auf keinem Fundament mehr, sie schwankt auf einem flirrenden Treibsand aus Hektik, Stress und Unsicherheit. Wohlstand für alle war einmal – die Erschöpfung aller droht. Wir leben im Zeitalter des Burn-outs.
    Hamsterrad-Regel: Niemand muss sich heute mehr zu Tode arbeiten! Es reicht völlig, wenn man es zur Vorstufe bringt: dem Burn-out.
    Deppen-Erlebnisse
    Wie ein Schwerarbeiter sich zum Genießer wandelte
    Es war eine kleine Sensation, als mein Chef in der Teamrunde sagte: »Ach, übrigens: Ab dem 15. des kommenden Monats gönne ich mir eine Auszeit von vier Wochen. Es gibt ja noch wichtigere Dinge im Leben als die Arbeit.«
    Sprach hier derselbe Mann, der nichts außer seiner Arbeit kannte, auch kein Familienleben? Der Mann, der Urlaubsanträge in Serie ablehnte, immer mit der Begründung, seine Abteilung ersticke in Arbeit? Wie könnte es sein, dass er plötzlich einen Sinn fürs süße Leben entdeckt hatte?
    Und das gerade jetzt, da er sich in den letzten Monaten tiefer als je zuvor in die Arbeit gekniet hatte, nach einer längeren Krankheit. Fahrig war er, gereizt und kaum mehr ansprechbar. Einmal wollte ich sein Büro mit einer Frage betreten. Ich stand noch unterm Türrahmen, da schleuderte er mir schon entgegen: »Ich kann jetzt nicht! Was auch immer Sie wollen – die Antwort lautet: ›Nein‹!«
    Umso verblüffter waren wir, dass dieser Arbeitsfanatiker sich einen Urlaubsmonat außerhalb der Reihe nahm, für »Wichtigeres als die Arbeit«. Seinem Stellvertreter sagte er, dass er unter keinen Umständen zu erreichen sei, er wolle die freie Zeit ungestört genießen.
    Als er zurückkam, schwärmte er von einer Reise, die er mit alten Studienfreunden genossen habe. Aber schon nach drei Tagen war er wieder der alte Hektiker, dessen Nerven flatterten wie eine zerrissene Plastikfolie im Sturm.
    Durch Zufall erfuhren wir, wo er wirklich gewesen war: Ein Ex-Kollege von uns hatte in dieser Zeit einen Freund in einer Burn-out-Klink besucht. Und wen hatte er dort auf dem Hof beim Spaziergang gesehen? Unseren Chef!
    Offenbar hatten ihm die Ärzte diese Auszeit verordnet. Aber uns log er einen Reiseurlaub vor, um sich keine Blöße zu geben und uns keine falschen Anregung. Denn die Adresse der Klinik wäre ihm aus der Hand gerissen worden. Einige in unserem Team hatten eine solche »Auszeit« mindestens so nötig wie er.
    Laura Schwarzkopf, Pharmareferentin
    Wie ein Marathon-Manager die Betriebssportgruppe lichtete
    Die Firma verkündete in einem Rundbrief: »Der beste Burn-out ist einer, den Sie gar nicht erst bekommen.« Und sie hatte sich eine Maßnahme gegen Dauerstress ausgedacht. Nein, die Arbeitslast sollte nicht gesenkt und das Personal nicht aufgestockt werden. Stattdessen hieß es: »Wir gründen eine Laufgruppe.«
    In hochtrabenden Worten wurde erklärt, dass sich die Stresshormone am besten durch Ausdauersport abbauen ließen. Und als »Zeichen der Wertschätzung« gegenüber den Mitarbeitern werde diese Gruppe von einem Top-Manager persönlich geleitet. Als erfolgreicher Marathonläufer sei er für diese Aufgabe prädestiniert.
    Beim ersten Laufabend waren 32 Mitarbeiter dabei. Doch nach sechs Wochen hatte es der Manager geschafft, 25 Mitarbeiter zu vertreiben, auch mich; seine Gruppe bestand nur noch aus sieben Köpfen.
    Wie das kam? Er betrieb seine Gruppe, die eigentlich dem Burn-out vorbeugen sollte, nicht nach dem Erholungsgedanken. Vielmehr ging es um Höchstleistungen. Mit der Stoppuhr lauerte er am Streckenrand, trieb die Läufer an und schwärmte immer wieder von seinem Ziel: Er wollte eine Marathon-Gruppe aufbauen, um anderen Firmen – wie er sagte – »mal zu zeigen, wo der Hammer hängt«.
    Schnell bot er zusätzliche Laufabende im Stadtwald an – er wünschte sich wohl eine Eskorte, die ihn bei seinem persönlichen Training begleitete. Wer gestresst aus der Firma ging, war noch gestresster, nachdem er

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