Bin Ich Schon Erleuchtet
überhaupt nicht wie Scheinwerfer nach vorne , und das ist so fies und frustrierend und …
Okay, das war ziemlich kleinkariert.
Eines fand ich allerdings ganz schön erhellend. Lara hatte ihre Indra-Statue mitgebracht und zeigte sie allen. »Ist euch an den Holzfiguren, die Indra uns verkauft hat, nichts aufgefallen?«, fragte sie. Sie langte in ihren Ganesha-Stoffbeutel, zog die halb in Zeitungspapier gewickelte Statue hervor und gab sie mir. »Fällt dir an der Schnitzerei was auf?«
Ich drehte und wendete sie. Es war exakt die Figur, die Indra uns im Wantilan zum Kauf angeboten hatte: eine aus Holz geschnitzte Indra mit ausgestreckten Armen in der zweiten Krieger-Position. »Ja, sie sieht ihr gar nicht ähnlich«, sagte ich.
Lara und Jason fingen an zu lachen.
»Schau genauer hin, Baby«, grinste Jason. »Sei achtsam.«
Ich strich mit den Fingern über das raue Holz. Und da fiel mir tatsächlich etwas auf. Kleine Löcher. Die gesamte Schnitzerei war von kleinen Löchern übersät, als hätte jemand sie mit einem Mini-Bohrer bearbeitet. »Oh«, sagte ich, »sind das …«
»Holzwürmer!«, rief Jason. »Sämtliche Statuen, die die Frau uns verkauft hat, sind befallen. Diese kleine Indra wird von innen heraus von Würmern zerfressen.«
Bärbel lachte und schlug mit der flachen Hand auf den Tischrand. »Wenn wir zu Hause sind, wird nur noch ein Haufen inspirierter Staub übrig sein.«
»Holzwürmer, du meine Güte!«, ereiferte sich Lara. »Also wirklich, sie hätte sich nicht so verschaukeln lassen dürfen.«
»Ich werde meine behalten«, erklärte Bärbel, lehnte sich zurück und faltete die Hände über dem Bauch. Sie genoss die Situation sichtlich. »Ich muss nächsten Monat zu einer Hochzeit und kann die Braut nicht leiden. Also werde ich ihr die Statue schenken und ihr vorschwärmen, wie großartig sie auf ihrem Flügel zur Geltung kommen wird.« Sie strahlte uns zufrieden an.
»Wie nett, Bärbel«, sagte ich, »sehr erleuchtet.«
»Und was machen wir jetzt?«, meldete sich Jessica sehr leise. Sie sah uns der Reihe nach bestürzt an. »Ich verstehe einfach nicht, was mit Indra passiert ist. Ich dachte, sie wäre wirklich erleuchtet.«
Wir verstummten. Mir fiel dazu nichts ein. Jason und Lara wechselten einen Blick. Bärbel zuckte die Achseln. Marcy erklärte vage, vielleicht seien wir ja sexistisch, weil wir Indra die ganze Schuld gäben, wo doch Lou wegen ihr seine Frau verlassen hatte. Aber darauf ging niemand ein, denn das Restaurant machte zu, und wir mussten zu Hause sein, bevor der Ruhetag begann.
Es war schon spät. Die Straßen waren wie leergefegt, keine Spur mehr von Menschen und Motorrädern. Bunte Streifen aus Krepppapier flatterten durch die Luft, sammelten sich in den Rinnsteinen und Abflüssen am Straßenrand und verfingen sich in den Ranken am Fluss, als hätte gerade noch eine wilde Party stattgefunden, deren Gäste sich nach dem letzten Tanz in Luft aufgelöst hatten. Die stillen, verlassenen Straßen sahen immer noch festlich aus. Wir waren als Letzte gegangen. Es war nicht mal unsere Party gewesen.
Laut palavernd wankte unser rebellisches Trüppchen betrunkener Yoga-Lehrer in spe mitten auf der Straße entlang. Aufgekratzt trudelten wir im Sambucarausch vorwärts, sangen verwaschene Mantras und hüpften an halb zerstörten Gerüsten vorbei, in denen gerade noch die Uga-Ugas gesteckt hatten.
Jason deutete auf ein vier Meter hohes, leeres Gerüst in einem Pavillon unmittelbar vor dem unteren Ende der sechsundneunzig Treppen und pfiff anerkennend. »Die Monster sind los!«, schrie er.
Jetzt sitze ich im Haus, höre dem Feuerwerk und den Hunden zu und versuche, das viele Essen und Trinken zu verdauen. Ich fühle mich grässlich, als hätte ich eine ganze Imbissbude voller Junk Food verschlungen. Und mir stellt sich die Frage: Was ist aus meinem Retreat geworden? War das nur eine unvermeidliche Gegenreaktion auf die ersten puritanischen Wochen?
Das viele Gerede über Geister hat mich an den Mixer-Exorzismus erinnert. Ich sehe Indra vor mir, die sich an Lou anlehnt. Ich höre ihre Geschichte, wie sie quer durchs Land fuhr, um vor ihrem Leben zu fliehen.
Habe ich das nicht im Grunde auch gemacht? Ich bin quer durch die Welt gereist, um vor meinem Leben zu fliehen. Und jetzt rast mein Leben auf mich zu. Sieben Tage. Noch sieben Tage bis zur Abreise.
Hatte dieses Retreat irgendeinen Sinn? Ja, sicher, ich werde am Ende ein Diplom haben, mit dem ich Yoga unterrichten kann, aber
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