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Bin Ich Schon Erleuchtet

Bin Ich Schon Erleuchtet

Titel: Bin Ich Schon Erleuchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Morrison
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Leid verursachen.
    Die Uga-Ugas müssen Lärm machen und furchterregend aussehen und den Geistern einen solchen Schrecken einjagen, dass diese massenhaft von der Insel fliehen, damit sie sich nicht vor lauter Angst ins Hemd machen. Um Mitternacht müssen die Lichter gelöscht werden und alle zu Hause sein, und dann verhält man sich vierundzwanzig Stunden möglichst ruhig, damit die Geister glauben, dass alle Leute die Insel verlassen haben. Wenn niemand mehr da ist, hat es keinen Sinn, in die »verlassenen« Mixer und Wischmopps zu fahren, und deshalb kehren die Geister für eine Weile nicht nach Bali zurück – bis sie begreifen, dass man sie hinters Licht geführt hat.
    Das gefällt mir. Die Trickser werden ausgetrickst!

Nach Mitternacht
    Ich bin noch dabei, den Abend zu verdauen, im buchstäblichen wie im übertragenen Sinn.
    Der Umzug der Uga-Ugas glich überhaupt nicht den Umzügen zu Hause, bei denen die Zuschauer die Straßen säumen und von Absperrungen und berittenen Polizisten am Rand zurückgehalten werden. In meiner US-amerikanischen Phantasie standen die Uga-Ugas auf Festwagen, von einer blutjungen Miss Ubud begleitet, die von einem Opferkörbchen voller vergoldeter Hühner und Früchte gekrönt ist und uns zuwinkt. Aber so ein steriler, harmloser Umzug ist nichts für die Balinesen. Als der Mond aufging, sah die Innenstadt von Ubud aus, als hätte jemand einen Zwölf-Tonnen-Sack Ratten über dem Stadtzentrum abgeworfen. Tausende Balinesen und Bali-Liebhaber schwärmten durch die halbdunklen Straßen, hockten auf Pfosten und Gesimsen oder standen herum, als wollten sie den Umzug blockieren.
    Jessica und ich drängelten uns durch, bis wir mitten auf der Straße eine relativ freie Stelle fanden. Bald darauf erkannten wir von weitem die ersten Gamelan-Musiker, die im flackernden Halbdunkel auf uns zu schritten.
    Jeder Uga-Uga hatte als Vorhut sein eigenes Gamelan-Orchester. Die Musiker waren alle männlich und trugen identische orangefarbene, rote oder blaue Hemden, die Fußballtrikots ähnelten. Man hätte meinen können, sie würden nachher ihre Instrumente weglegen und ein Spiel austragen. Die Musik war ohrenbetäubend. Das waren nicht die seltsam ätherischen Klänge, die abends häufig aus dem Wantilan zu uns herüberwehten. Dies hier waren Kampfgeräusche: Rüstungen rasselten, Stahl wurde geschliffen. Überrascht stellte ich fest, dass ich die Musik als ein unangenehmes Hämmern in der Brust empfand; ich war nervös und wollte weg.
    Aber als die ersten Uga-Ugas auftauchten, entspannte ich mich. Sie waren hinreißend. Babymonster in Bambussänften wurden von Jungen in blauen Trikots getragen, die sich schwarze Stoffstreifen um die Stirn gewickelt hatten. Die unheimlichsten Monster sahen aus wie Schulbasteleien aus Pappmaché; auf ihre smaragdgrünen Körper waren schwarze Schuppen gemalt, und ihr Kopf erinnerte an Puff den Zauberdrachen, nur tropften am Hals riesige, tomatenrote Farbtränen herab.
    Wir sahen den Jungen lange nach, bis uns krachende Feuerwerkskörper aufschreckten und wir uns umdrehten. Die kleinen Jungen waren fertig, jetzt waren die Männer an der Reihe.
    Am Ende der Straße schien ein Ungeheuer vom Lärm seines eigenen Orchesters aus dem Schatten gerufen zu werden. Es war gewaltig, sicher fünf Meter hoch, hatte den Körper eines Hundes und das Gesicht von Rangda, einem Wesen mit einer Feuerzunge und einer schwarzen Strohmähne. Seine Vorderbeine schwenkten hin und her, als wollten sie die Menge mit ihren rasiermesserscharfen Klauen wegsicheln. Bei jedem Öffnen und Schließen der Kiefer explodierten Feuerwerkskörper. Das Wesen saß auf einem riesigen Bambusgitter, das von mindestens einem Dutzend Männer in orangeroten Trikots gehalten wurde, die dem Ungeheuer als vielfüßiger Thron dienten. Sie verhalfen dem Ungeheuer zu seinen tänzerischen Bewegungen, indem sie als geschlossene Gruppe in die Menge liefen, in die Knie gingen oder sich vorbeugten, woraufhin das Ungeheuer dasselbe tat.
    Der Umzug wurde interaktiv. Die Ungeheuer und die Männer im Gitter bewegten sich so schnell von einer Seite zur anderen, dass wir nicht merkten, wie nahe sie uns schon waren und dass wir ihnen Platz machen mussten. Sie erzitterten, stürzten unvermittelt los, hielten inne, rannten weiter. Ich weiß immer noch nicht, was passiert wäre, wenn wir ihnen nicht ausgewichen wären. Sie hätten uns vermutlich niedergetrampelt, und deshalb rannten wir davon.
    Nach diesem ersten Adrenalinstoß rief

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