Bin Ich Schon Erleuchtet

hatte und mixte.
    Warum steckt sich ein Mixer selbst in die Steckdose und fängt mitten in der Nacht an zu mixen?
    Ganz einfach. Weil er besessen ist .
    Indra und Lou haben einen Poltergeist in ihrem Mixer!
    Offenbar passiert das auf Bali gar nicht selten. Nach Aussage meiner Lehrer wandern Legionen von Geistern nachts über die Insel und suchen nach ihrer Chance, in dein Haus einzubrechen, deine Küchengeräte zu beseelen und das helle Chaos anzurichten.
    Indra hatte versucht, den Geist durch gutes Zureden aus dem Mixer herauszulocken, aber es hatte nicht funktioniert. Sie zuckte die Achseln und warf Lou ein gequältes Lächeln zu. »Der Geist ist ziemlich lästig, klar, aber wir müssen freundlich sein und daran denken, dass ein Geist zum Teil auch deshalb in einen Mixer fährt, weil er ein wenig Aufmerksamkeit sucht.«
    Lou massierte gerade seinen Oberschenkelmuskel. »Hört zu, Leute«, sagte er. Er zog geräuschvoll Luft durch die Nase, um seine Gedanken zu ordnen. »Manchmal muss man dem Geist die Aufmerksamkeit geben, nach der er sich sehnt, dann zieht er weiter und lässt einen in Frieden.«
    Indra stieß ihn spielerisch mit ihrer Schulter an. »Wir sind an solche Sachen gewöhnt«, lächelte sie, »die Geister scheinen uns zu verfolgen.«
    Jason starrte Indra wie ein Dreijähriger mit offenem Mund an. »Was sagst du zu einem Mixer, um ihm die Aufmerksamkeit zu geben, nach der er sich sehnt?«
    Indra lachte und rückte ihre Beine im Lotussitz zurecht. »Es klingt vielleicht ein bisschen abgefahren, aber ich habe gesagt: ›Geist, ich respektiere dich, du kannst jetzt den Mixer verlassen. Gib den Mixer frei, Geist, wir respektieren dich.‹ So ungefähr.«
    Bärbel kauerte neben mir auf den Fersen. Sie ist eine fünfundsechzigjährige Großmutter aus Berlin und die Einzige im Wantilan außer mir, die sich über den ganzen Yoga-Kram lustig macht. Sie gluckste. »Tja«, sagte sie, »wer an Geister glaubt, sieht sie auch. Und wer nicht, der nicht.«
    Und ich dachte: Kann es sein, dass es mir mit Gott genauso geht?
    Jedenfalls haben Indra und Lou ein paar von uns zu einer rituellen Reinigung des Mixers zu sich eingeladen. Was ich saukomisch fände, wenn ich nicht so hingerissen von der Aussicht wäre, Indra in ihrem natürlichen Habitat zu erleben. Es ist mir fast peinlich, wie glücklich es mich macht, zu den auserwählten vier zu gehören. Jonah würde mich nicht wiedererkennen. Ich kann nicht aufhören, selig vor mich hin zu grinsen. Vielleicht bin ich auch nur ein lästiger Geist auf der Suche nach einer Gerätschaft, in die er fahren kann, um ein bisschen Aufmerksamkeit zu kriegen. Wenn ich diesen Mixer treffe, werde ich als Erstes zu ihm sagen: Ich verstehe dich .

Sonnenuntergang
    In ein paar Minuten holt uns Ketut ab, um uns zu Indra und Lou zu chauffieren. Jessica, Lara, Jason und ich haben die letzten vier Stunden mit Vorbereitungen verbracht. Jessica hat ein Dutzend Aromatherapie-Kerzen angezündet, die sie aus ihrem Massagestudio mitgebracht hat, und als die Sonne unterging, knipsten wir alle Lampen aus, und das Kerzenlicht spiegelte sich in den glänzenden Fliesen. Indra und Lou haben uns gebeten, Sarongs anzuziehen. Su brachte ein halbes Dutzend zur Auswahl mit, aber wir Mädels konnten nicht widerstehen und kleideten zu allererst Jason ein. Nun stolziert er in seinem goldenen Sarong im Haus herum und sieht ziemlich prächtig und keck aus. Zu dem Sarong trägt er eine farblich passende Schärpe, ein bauschiges weißes Hemd und um den Kopf ein breites goldenes Stirnband aus festem Stoff. Als er im Kerzenschein einen Tai-Chi-Tanz vollführt, hebt sich sein Schatten riesig von der Zimmerwand ab wie ein menschlicher Scherenschnitt.
    Als die beiden anderen Frauen im Badezimmer fertig waren, starrte ich im Schummerlicht mein Spiegelbild an, und meine braunen Haare, die sich hier wie verrückt kräuseln, leuchteten fast so rot wie mein rostroter Sarong. Ich sah aus, als stünde ich in Flammen. Im Kerzenschein waren meine Augen dunkel und unergründlich, und die Wimpern warfen lange Schatten auf die Augenlider und die Stirn. Man hätte meinen können, ich ging zu einem Exorzismus.
    Seufz. Mein erster Exorzismus. Bislang läuft alles haarscharf so, wie ich es mir erträumt habe.
    Das Haus riecht intensiv nach Sandelholz, Ambra und Lavendel. Lara zog mit Jason zusammen eine Art Pseudo-Kung-Fu-Show ab. Jessica kicherte hysterisch und rollte mit den Augen wie die Satsang-Tänzer, die wir neulich Abend gesehen