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Bin Ich Schon Erleuchtet

Bin Ich Schon Erleuchtet

Titel: Bin Ich Schon Erleuchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Morrison
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meine Fassade durchschauen und mitten in mein jämmerliches Innenleben blicken. Als bräuchte ich einen Mann, der mich beurteilt und mir sagt, ob ich gut oder schlecht, heilig oder unrein bin! Wenn ich so etwas aus Lous Mund höre, möchte ich diese Kirche niederbrennen.

Später
    Jessica meint, ich hirne zu viel. Sie sagt: »Lass los und lass Gott machen!«
    Komisch – mein Cousin Mike hat bei seiner ersten Predigt als ordinierter Priester exakt dasselbe gesagt. Lass los und lass Gott machen.
    Jessica sagt, mein Gehirn ist hyperaktiv, weil ich ein Skorpion bin und deshalb gespalten. Ein Teil von mir denkt : Na ja, vielleicht strengen Wassermänner ihren Grips nicht genug an, sonst wüssten sie, dass dieser ganze Astrologiekram Quatsch ist! Und der andere Teil von mir möchte sie anflehen, mir alles zu erzählen, was sie sonst noch über Skorpione weiß.
    Ein Paradebeispiel für widerstreitende egomanische Impulse. Oder nicht?

8. März
    Indra kam heute Vormittag »auf ein kurzes Hallo« an meine Matte, und ich war so verzückt – sie machte das zum ersten Mal –, dass ich mit einer Frage herausplatzte: »Was hat es mit diesen Kyries auf sich?«
    Dann legte ich zwanzig Minuten lang los. So nach dem Motto: Bringt mir meine Bütt, Kinder, damit ich euren Gott demaskieren kann. Wie früher im Studentenwohnheim, mit einer Dose Bier und einem Joint in der Hand.
    Indra saß auf meiner pinkfarbenen Matte und hörte zu. Sie nickte bedächtig, nicht unbedingt zustimmend. Eher so, als wolle sie mich ermutigen, mir alles von der Seele zu reden. Also erzählte ich ihr, dass die Sünde auf eine Frau zurückgeht, dass Gebete sich nicht mit dem Grundgedanken der Yoga-Lehre vertragen, und außerdem hätten wir doch meines Wissens alle entschieden, dass Gott nicht existierte.
    »Wir?«
    »Na ja, du weißt schon …«
    »Was, die Gebildeten? Die Toleranten unter uns?«
    »Hm, nein. Moderne Menschen …«
    »Du bist katholisch erzogen?«
    Ich lachte. »Ist das nicht offensichtlich?«
    »Ich auch«, sagte sie, »und es gab eine Zeit, da dachte ich, dass es in der Religion nur um Schuld und Macht und Politik geht.«
    »Genau«, stimmte ich zu, »und du hattest recht.«
    »Aber mein gesamtes Leben hier auf der Erde hat nur den einen Zweck, Gott zu lieben. Yoga bedeutet, Gott lieben zu lernen. Wir sind Gott, wir alle, und wenn wir Gott um Gnade bitten, bitten wir uns selbst, gnädig zu sein. Glaubst du nicht, wir könnten alle etwas mehr Mitgefühl gebrauchen?«
    Was sollte ich darauf antworten? Nein ?
    Als ich klein war, hatte ich das Gefühl, dass Gott mich verfolgte, dass er mein Verhalten beurteilte, dass er zusah, wenn ich meine Schwester an den Haaren zog oder ein Spiel erfand, in dem Barbie mit Ken Sex hatte. Und mit ihrer kleinen Schwester Skipper. Und mit Babypony. Wenn ich heute diesen Zuschauer im Nacken spüre – leider passiert das häufiger, als mir lieb ist –, rufe ich mir in Erinnerung, dass es nur mein überdimensionaler Narzissmus ist, der sich abgespalten hat und inzwischen unabhängig von mir existiert.
    Indra fragte, ob ich die Niyamas studiert hätte. Die Yamas und die Niyamas sind so etwas wie die Zehn Gebote des Yoga. Man enthält sich der Yamas – Sex, Lügen, Diebstahl. Und man beachtet die Niyamas – übt Zufriedenheit und dergleichen.
    Indra sagte, es gäbe drei Niyamas, auf die ich mich konzentrieren solle. »Du kannst sie als Dreifaltigkeit betrachten, da du mit diesem Begriff vertraut bist.« Ich stöhnte und schlug das Kreuz. Sie lachte.
    Das Erste, erklärte sie, sind die Tapas. Das bedeutet Hitze oder Läuterung. Wir erhitzen beim Üben unseren Körper durch die Yoga-Stellungen, um ihn zu reinigen. Durch die Tapas, sagte sie, kann man lernen, wie man anmutig leidet. Schmerzen aushält und sitzen bleibt, bis man sie transzendiert. Eine tolle Idee, theoretisch. Cool und knallhart, wie Linda Hamiltons Klimmzüge am Bettgestell in Terminator 2 . In der Praxis allerdings möchte ich mich am liebsten auf den Boden legen und zur Limabohne werden.
    Das Zweite ist Svadhyaya, die Selbsterforschung. Das erreiche ich durch das Studium der heiligen Texte und indem ich meine Emotionen beobachte, statt mich mit ihnen zu identifizieren. Und durch dieses Tagebuch. Indra empfahl mir die Yoga-Sutras, die Upanischaden, den Koran und – jawohl – die Bibel.
    »Oh, Jesus!«
    »Genau. Christus war eine Inkarnation. Er kam hierher, um uns zu lehren, dass wir Gott und einander lieben sollen.«
    »Mag sein,

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