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Bin Ich Schon Erleuchtet

Bin Ich Schon Erleuchtet

Titel: Bin Ich Schon Erleuchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Morrison
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verstehen.

29. März
    Heute bin ich mit Pflanzen in Kontakt getreten. Ich habe über diese großen grünen Blätter meditiert, die sich zum Himmel recken, und dachte auf einmal: Ja, ich weiß, was ihr meint.
    Ich bin losgelöst und gleichzeitig ganz bei der Sache.
    Lou sagte mir, es gäbe einen Unterschied zwischen Losgelöstsein und Distanz. Es dauerte eine Weile, bis ich ihn verstand. Ich glaube, ich habe Yoga und östliche Philosophien immer mit innerer Distanz in Verbindung gebracht: Man sitzt auf einem Berggipfel und schert sich nicht die Bohne um irgendwas oder jemanden, man ist einfach woanders. Lou nennt das Distanziertheit, und sie ist überhaupt nicht das Ziel beim Yoga.
    Es geht darum, sich von den Früchten unserer Arbeit zu lösen, das heißt, wir handeln nur um der Handlung willen. Heute zum Beispiel wollte ich einen Kopfstand machen, aber ich schaffte es einfach nicht graziös. Normalerweise würde ich eine Menge Energie darauf verschwenden, mir Sorgen zu machen, dass meine Mit-Yogis mich beobachten und beurteilen könnten oder sich mir überlegen fühlen, weil sie den Kopfstand beherrschen und ich nicht, und dann würde ich mich durch pure Anstrengung hochstemmen oder ganz aufgeben und in der Kindhaltung ausruhen. Heute dagegen begriff ich, dass der Kopfstand kein Ziel war, das es zu erreichen galt – der Kopfstand war das Ergebnis, von dem ich mich lösen musste. Der Versuch, den Körper anmutig in den Kopfstand zu bringen, war genug, also arbeitete ich daran.
    Deshalb bemühen wir uns auch, die Wahrheit zu sagen – weil wir Sprache oft dazu benutzen, uns gegenseitig zu manipulieren und eine bestimmte Reaktion hervorzurufen. Wenn wir die Wahrheit sagen, können wir die Worte nicht verwenden, um ein spezielles Ergebnis zu erzielen. Wenn wir zum Beispiel zu einer Kellnerin sagen: »Nein, es ist wirklich kein Problem, sicher, Sie könnten mir etwas Salz für dieses ungesalzene Essen bringen, aber es ist echt nicht schlimm, wenn Sie es nicht machen, mir muss ja mein Essen nicht schmecken«, dann ist das das Gegenteil von Yoga.
    Es wäre viel yogischer zu sagen: »Ich brauche das verdammte Salz.« Wahrheit! Puh, wenn ich mit dieser Art von Yoga-Übung in Seattle ankäme, würde mich die Anstandspolizei lynchen. Gut, dass ich New York ansteuere.
    Losgelöstsein bedeutet, die eigenen Emotionen als das zu erkennen, was sie sind: Wolken, Sonnenstrahlen, Wetter. Sie gehen vorüber. Statt Gefühle wie Zorn oder Trauer zu nähren und mich in ihnen zu suhlen wie ein Schwein im eigenen Dreck, erkenne ich, dass sie dem Wetter gleichen, und weiß, dass sie mit der Zeit vorübergehen werden.
    Die Klarheit, die ich seit meinem Kundalini-Durchbruch erlebe, ist kein Gefühlszustand. Ich sehe nicht so sehr Wetterlagen als einen ganz neuen Himmel. Heute überlegte Jessica laut, ob nicht doch Emotionen im Spiel seien, ob mir nicht die viele Aufmerksamkeit, die ich von meinen Lehrern und Mit-Yogis bekomme, eine Art Wohlfühl-High verschafft. Das hätte mich geärgert, wäre da nicht diese Klarheit. Was wiederum beweist: Es ist nichts Emotionales.
    Ich wünschte, Jessica würde noch mal davon anfangen, damit ich sie darauf hinweisen kann.

30. März
    Javanische Feldarbeiter sind über Ubud und die angrenzenden Dörfer hereingebrochen, um die hohen Reisstängel zu ernten. Sie tragen spitze Strohhüte, die wie die Muscheln aussehen, die meine Geschwister und ich »Chinesen-Hüte« nannten. Vor dem Unterricht im Wantilan zu sitzen und die Arbeiter zu beobachten, wie sie mit ihren starken Armen in den lindgrünen Reisterrassen durch die trockenen, gelben Stängel sicheln, ist eine unglaublich schöne Erfahrung. Gestern kam mir in den Sinn, dass ich normalerweise bei dem Gedanken, die Arbeit dieser Männer und Frauen sei schön, Schuldgefühle hätte – so in dem Sinn: Hier sitze ich bequem im Yoga-Pavillon und verkläre ihren Schweiß. Aber heute nehme ich das Bild einfach in mich auf, und es ist schön.
    Ich akzeptiere die Welt, so wie sie ist.

    OBWOHL.
    Ich würde Indra gerne häufiger sehen. Ich hatte irgendwie angenommen, dass wir nach diesem Durchbruch nach dem Unterricht mehr Zeit füreinander haben würden. Dass ich zu ihnen gehen und mit ihr auf dem Balkon sitzen und Tee trinken könnte, wir über den Pfad sprechen und uns gegenseitig die Haare flechten. Oder so.

31. März
    Meine Mit-Yogis beklagen sich immer noch häufig darüber, wie schwierig das Meditieren ist. Nicht wie Louise. Nicht so ätzend. Aber als

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