Bin Ich Schon Erleuchtet
an meine Mit-Yogis und meine Freunde zu Hause, meine Schwester, meine Brüder, meine Eltern und Großeltern, meine gesamte Familie. Danke. Ich dachte an Indra und Lou und Jonah und hob überwältigt die Arme über den Kopf, wobei mir Blüten ins Haar tropften. Danke, danke, danke . Ich sank wieder ins Wasser zurück, bis der Mund und die Nase unter Wasser waren und ich meinen Pulsschlag hörte. Die Blüten schwammen jetzt auf Augenhöhe. Aus dieser Perspektive sahen sie aus wie ein heller, farbenfroher Dschungel. Ich starrte sie lange an, bis sich zwischen meinen Beinen die ersten schmerzhaften Nadelstiche bemerkbar machten, die sich bald darauf zu der unangenehmen Rötung auswuchsen, die mich inzwischen zum lauten Wehklagen über die Existenz von Wachs veranlasst.
Dann erinnerte ich mich daran, dass es ja nur Schmerz ist. Und schwupps – weg war er.
Hmm. Na ja. Fast.
2. April
Heute früh saß auf meinem Badetuch eine handtellergroße Spinne. Ich hatte meine Kontaktlinsen noch nicht drin und sah sie erst, als mein Gesicht ungefähr einen Zentimeter von ihrem haarigen, grünen Rücken entfernt war. Genau in diesem Moment stieß Jessica, die sich neben mir die Haare bürstete, einen markerschütternden Schrei aus. Ich dagegen zuckte nicht mal zusammen, ich nahm nur mein Gesicht ein Stück zurück.
Die Insekten machen mir nichts mehr aus. Das war früher anders. Aber jetzt betrachte ich die Stiche an meinen Armen und Beinen und bewundere ihre Verschiedenartigkeit. Manche sind so groß wie Vierteldollar-Münzen und so rosa wie meine Lippen, andere breiten sich aus wie ein Ausschlag aus kleinen Pickelchen. Der auf meinem Knie sieht aus wie Saturn – ein kleiner runder Stich mit einem roten Ring. Ihr habt einen interessanten Job, sage ich zu den Insekten.
Warum auch nicht. Ich ernähre mich von den Reisfeldern, die Insekten ernähren sich von den Suzanne-Feldern. Wir arbeiten alle Hand in Hand!
Jessica wagte sich erst wieder ins Haus zurück, nachdem ich die Spinne vom Badetuch in die Büsche neben der Veranda geschüttelt hatte. Arme kleine Jess. Sie hat noch einen weiten Weg vor sich.
Später.
Heute ist mir was Komisches passiert. Ich war in der Krieger-II-Haltung und fühlte mich sehr kraftvoll und offen, als mir ein klitzekleiner Furz entwich. Ein munterer kleiner Soubrettenfurz sozusagen, ein herziger, heller Sopranseufzer.
Und was habe ich entdeckt? Furzen in der Öffentlichkeit macht Spaß! Es war befreiend, ohne Witz. Eine Erweiterung meines Mentalkörper-Zustands. Eine unüberhörbare Meditation. Wie Chanten, aber – äh, na eben mit dem Hintern.
Na guuuuut, das ist gelogen. Es war mir wahnsinnig peinlich. Ich wollte sterben. Ich will immer noch sterben. Aber ich versuche, daran zu arbeiten. Ich versuche, vom Furzen losgelöst zu sein. Fürze und Emotionen sind wie Wetter. Sie vergehen.
Aber … oh, shit, es war der Horror.
Später
Es regnet.
Ich habe auf dem Bett meditiert und mich bemüht, über gewisse Dinge nicht nachzudenken. Gewisse Augenblicke nicht wieder zu durchleben, in denen mir etwas mehr Verklemmtheit gutgetan hätte. Ach, ich weiß auch nicht. Ich will nicht verklemmt sein.
Verdammter Mist. Ich mag es nun mal, wenn mein Darmtrakt verklemmt ist.
Ich will sterben. Und ich kriege mich nicht ein vor Lachen. Her mit der Zwangsjacke!
Noch später
Ich habe mich ein bisschen hysterisch aufgeführt. Laut gelacht und gestöhnt und mich unter der Bettdecke verkrochen. Jessica verstand überhaupt nicht, dass ich mich über einen kleinen Furz so aufrege. Sie brachte mir ein Tablett mit Ingwertee und einen kleinen Becher Joghurt. Joghurt sei gut für den Darmtrakt, sagte sie, und dann knatterte sie leise mit den Lippen, wie ein Kind. Sie setzte sich neben mich aufs Bett und knatterte weiter.
»’Tschuldige«, kicherte sie, und dann produzierte sie noch mehr Lippenfürze, bis sie hemmungslos gackernd den Ingwertee über sich schüttete.
So mag ich sie.
3. April
Ich habe all meine Bücher ausgelesen! Die Gita, die Upanischaden, die Sutras. Ich bin eine Fressmaschine für heilige Texte.
Jetzt macht es mich verrückt, dass ich nichts mehr zu lesen habe, deshalb hat sich Bärbel meiner erbarmt und mir ein paar von ihren Büchern ausgeliehen. Sie besitzt die ungekürzten Upanischaden, ich habe nur die dürftige gekürzte Fassung. Von Bärbel bekam ich auch ein paar Bücher über Ayurveda, eine medizinische Wissenschaft, die mit Yoga zusammenhängt. Und was finde ich? Ein Rezept gegen
Weitere Kostenlose Bücher