Bin Ich Schon Erleuchtet
gewöhnen.«
Ich war so siegestrunken, wie es eine Frau mit verschlungenen Gedärmen sein kann. »Oh bitte, Lara, erhelle mich. Wie genau gewöhnst du dich daran?«
»Ich rieche jeden Morgen an meinem Pipi. Ich verreibe ein bisschen auf den Lippen.«
Ich erschauerte. »Uahh, krass.«
»Rauchen ist viel ekelhafter«, sagte Lara eifrig, »und du hast dir früher jeden Tag diesen Giftstängel zwischen die Lippen gesteckt.«
Wie albern. Das war doch kein Argument. »Aber du findest offensichtlich Amaroli auch krass, sonst würdest du’s trinken, oder?«
Lara stieg die Röte in den Nacken. »Ich hab es mal versucht, aber ich musste würgen. Ich habe sogar brechen müssen. Seitdem ist mir der Gedanke, es noch mal runterzuschlucken, zuwider.«
»Oh Mann.«
»Ja.« Sie entspannte sich ein wenig und nippte an ihrem Lassi. In ihren Augen blitzte ein leises Lächeln auf. »Es war eklig.«
Mein Bauch gurgelte. »Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen, als die eigene Pisse auszukotzen.«
Jessica wurde ungeduldig. »Hört mal«, sagte sie, »darum geht es aber nicht.«
»Doch«, widersprach ich. » Genau darum geht es, Jessica.«
»Du weißt, dass sich Leute damit von Krebs geheilt haben, und willst es trotzdem nicht probieren?«
»Wenn das so ist, Jess, wenn sie sich wirklich von Krankheiten geheilt haben, die jeder heilen will, warum wissen wir dann nichts davon?« Damit hatte ich sie am Wickel.
Jessica lehnte sich zurück und tat, als hätte sie erst jetzt gemerkt, was für eine abgrundtief dämliche Tusse ich doch war. Diesen Gesichtsausdruck hatte ich bei ihr noch nie erlebt; so stellte ich mir eine durchgeknallte, malariakranke Missionarin irgendwo im Amazonasdschungel vor.
»Suzanne, denk doch mal nach«, artikulierte sie betont langsam, als wäre ich minderbemittelt. »Was sagt Lou immer? Da ist eine pharmazeutische Verschwörung im Gang, Suzanne. Warum sollten sie wollen, dass wir etwas über den Nutzen der Urintherapie erfahren? Es liegt doch auf der Hand, warum wir nichts davon hören.«
»Und warum?«
Sie schüttelte entnervt den Kopf. »Weil, Suzanne, Pipi nichts kostet !«
Ich gebe es ja ungern zu, aber das leuchtet mir irgendwie ein. Ich mag Verschwörungstheorien, besonders wenn amerikanische Konzerne darin verwickelt sind. Fast bin ich in Versuchung, es doch zu probieren.
Nein, halt. Blödsinn. Ich will trotzdem nicht.
Wir gingen nach Hause, und ich musste unterwegs nur einmal auf die Toilette eines kleinen Hotels in Campuhan rennen. Der Heimweg war nicht so schlimm wie erwartet. Doch am Ende der sechsundneunzig Stufen musste ich Jessica ein Versprechen geben: Ich würde keine Antibiotika nehmen.
War das verrückt? Ja, schon. Ich versprach ihr, ich würde es erst mit Kräutermedizin versuchen – Neem-Blätter und Grapefruitkern-Extrakt. Sie sagt, das würde länger dauern, aber es sei viel besser, als meinen Körper all seiner Bakterien zu berauben, der guten wie der bösen.
Ich versuche, dem Universum gegenüber offen zu bleiben, obwohl es mir in letzter Zeit einiges zugemutet hat und meiner Meinung nach ein Schuss Antibiotika jetzt genau das Richtige wäre. Ich werde versuchen, die Bakterien auf natürliche Weise aus meinem Organismus zu vertreiben. Ich versuche es.
Aber wenn irgendwas aus meiner Zunge quillt, sagte ich zu Jessica, wenn ich auch nur den Ansatz eines Grauschleiers entdecke, dann gibt’s kein Halten mehr. Wir haben uns darauf die Hand gegeben.
Schlafen. Mein Geist wird schlafen, während mein Körper Krieg führt. Auf geht’s, ich bin ein Gewinnertyp!
Später
Schlafen? Guter Witz. Ich bin zum fünften Mal aufgestanden. Ich hasse das. Ich will sterben.
Bei meinem Bikini-Waxing – wann war das, am Ostersonntag? – hat Reni, die Waxing-Frau, dauernd »Oh, krank, krank« gesagt, nachdem sie mir die Haut abgezogen hatte. »Krank, krank«, hat sie geflötet und auf das nackte Fleckchen Haut gepustet, »empfindlich, empfindlich.«
Ich habe alle paar Minuten schlimme Bauchkrämpfe und denke krank, krank , dann muss ich lachen, und mir tut der Bauch noch mehr weh.
4.00 Uhr früh
Die Hähne und Hunde leisten mir Gesellschaft am frühen Morgen. Ich liege auf dem Futon im Erdgeschoss neben dem Klo. Es war mir auf die Dauer zu blöd: Kaum war ich auf dem Rückweg vom Klo die halbe Treppe hoch, da musste ich schon wieder umkehren.
Ich frage mich andauernd, ob Indra mich für einen niederen Vogel hält, der auf dem unteren Ast sitzt, Milkshakes trinkt, sich mit seiner
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