Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)
rein?«
Er nickt und grinst.
»Und dann schalten Sie das Teil an?!«
»Klaro – erst orndlich einölen, dann kann’s losgehen! Glauben Sie mir das etwa nich?«
Langsam schüttele ich den Kopf und starre noch immer auf das umfunktionierte Tischlergerät.
»Sauen Sie doch mal bei meiner Innänädseide rroin, da gipps guhde Tipps …«
»Komm weiter, Philipp«, sagt Theresa und greift meinen Arm, »du hast doch ’ne Frau!«
»Aber die schafft keine 1 500 Anschläge pro Minute!«, protestiere ich und winke dem Herrn paralysiert zu.
Lange habe ich jedoch keine Zeit, um mich zu wundern, denn auch der nächste Stand wartet mit einem schier unglaublichen Gerät auf, dem sogenannten Hildegard-Orgonakkumulator, ein mit Sternen verziertes Tablett, auf dem mein Essen energetisiert wird. Weil mich dieses Produkt nun doch ein bisschen reizt, schaue ich dank mobilem Internet nach dem Preis und werde schnell bei Amazon fündig. 1 250 Euro, dafür ist die Lieferung aber auch kostenlos, und die großartigen Rezensionen anderer Kunden gibt’s gratis obendrauf.
Die nächste Verkäuferin hätte eigentlich einen Nobelpreis verdient, denn während normale Wissenschaftler beim Menschen nur lächerliche zwei DNS -Stränge gefunden haben, hat sie noch elf weitere entdeckt. Zwar befänden sich diese auf energetischer Ebene, dennoch würden wir Menschen somit nur fünf Prozent unseres DNS -Potenzials nutzen. Mit dem von ihr entwickelten Theta-Healing könne ich aber nicht nur die restlichen 95 Prozent aktivieren, sondern auch die sogenannten Telomere, also die Endkappen der Chromosome, stärken und damit meinen Alterungsprozess stoppen.
»Stoppen?«, frage ich sie eindringlich, doch die Dame schaut mir fest in die Augen.
»Ja, stoppen!«
Unsterblichkeit verspricht mir auch ein dürrer älterer Herr, der eine absolute Wende seines Lebenswandels hinter sich hat. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere, berichtet er mir, habe er alles gehabt: Geld, Frauen, Häuser, Drogen, wilde Partys – alles, was man eben so besitzen könne. Dann sei ihm über Nacht die Haut von den Muskeln gefault, sodass er den Herrn Jesus Christus auf Knien um Vergebung angebettelt habe. In der folgenden Nacht sei ihm dann die längst verstorbene Schneiderin Bertha Dudde begegnet und habe ihm mündlich neuntausend Offenbarungen mitgeteilt, die er nun nach und nach aufschreibe. Auf seinem Stand liegen mehr als zweihundert verschiedene selbst gedruckte Broschüren, die allesamt, wenn auch mit unterschiedlichen Titeln, die Wiederkehr des Herrn ankündigen.
»Für eine Spende wäre ich auch dankbar«, sagt er am Ende unseres Gesprächs, »den Sprit zur Messe zahlt der Herrgott leider nicht.«
Wie paralysiert drücke ich ihm meinen letzten Fünfer in die Hand, atme tief durch und gehe mit gesenktem Haupt weiter. Nach derartigen Begegnungen wirken Angebote wie Handschriftenanalyse, Sternzeichendeutung, Glasengelspiele, Schüßler-Salze, Vollmondholz, Elektrosmogreiniger, Chakra-Channeling, SMS aus dem Jenseits, Zimmerpflanzenhomöopathie sowie sämtliche astrologischen Methoden fast harmlos.
»Ich weiß nicht, ob ich das noch lange aushalte«, gestehe ich Theresa bei einer Zigarette in der Kälte. »Bei einigen grenzt das doch schon an Wahnvorstellungen.«
Einige Angebote seien sicher zweifelhaft, räumt sie ein, aber letztlich müsse doch jeder selbst wissen, was er mit seinem Geld anstelle.
»Selbstbefriedigung mithilfe einer Stichsäge?« Ich starre sie mit schmerzverzerrtem Gesicht an. »Das kann doch nicht lang gutgehen!« Aufgebracht weise ich außerdem auf die 20 Milliarden Euro hin, die Rat- und Hilfesuchenden mit dem Eso-Geschäft allein in Deutschland jedes Jahr aus der Tasche gezogen werden. »Und richtig problematisch wird es, wenn selbst ernannte Heiler die eigenen Fähigkeiten überschätzen und die Klienten eine wirksame Behandlung deswegen außer Acht lassen!«
Leicht genervt verdreht Theresa die Augen und fragt, ob ich die Karriereberatung noch in Anspruch nehmen möchte. Ich seufze. »Was soll der Spaß denn kosten? Meine Börse ist jedenfalls leer!«
Theresa lächelt. »Schau’n wir mal …«
Widerwillig setze ich meine spirituellen Scheuklappen auf und folge ihr durch die Gänge bis zu einem Stand, der aus einem lilafarbenen Wigwam besteht. Auf die Spitze wurde ein Regenschirm montiert, an dessen Speichen CD -Rohlinge baumeln. Theresa klopft, was bei einem Zelt eine echte Meisterleistung darstellt.
Wenige Augenblicke später tritt ein
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