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Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Titel: Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Möller
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schlanker, glatzköpfiger Mann aus dem Zelt, der eine hellblaue John-Lennon-Brille, ein aufwendiges buntes Kopftuch und einen winzigen weißen Kinnbart trägt. Unter seinem violetten Ganzkörpergewand lugen weiße Tennissocken hervor. »Ich bin Avatron, der Weltlehrer«, intoniert er mit geschlossenen Augen und legt die Handflächen vor dem Solarplexus aneinander. »Nach über siebenhundert Jahren bin ich wiedergekommen, um euch zu führen.« Dann öffnet er die Augen, legt eine Hand auf Theresas Stirn, die andere Hand auf meine, und schließt die Augen wieder. »Als Nachfolger von Moses, Jesus Christus, Mohammed und Siddhartha ist es nun meine Aufgabe, die Menschheit ans Licht zu bringen. Wie kann ich euch helfen?«
    »O Herr und Meister«, sagt Theresa mit hörbarem Lächeln, »mein Freund hier braucht Hilfe beim Finden seines Wegs.«
    Mit einer königlichen Handbewegung schiebt der selbst ernannte Messias den Vorhang beiseite und bückt sich, um in sein Beratungszelt zu gelangen. Wir folgen ihm in das Tipi. Schnell rollt er eine Schaumstoffmatte am Boden zusammen und verstaut sie im Dunkel.
    »Oh, haben wir Sie etwa beim Meditieren gestört?«, will Theresa erschrocken wissen.
    »Nein, nein«, beruhigt er sie, »Avatron betreibt Schlafyoga!«
    Das Innere des Zelts riecht etwas muffig und ist mit derselben Lampe beleuchtet, die auf meinem Nachttisch steht: FORSÅ für 19,99 Euro. Von der Decke des Zelts hängt ein Traumfänger, der über dem Tisch baumelt. Avatron bietet uns Platz auf zwei winzigen Hockern an und lässt sich selbst in einen Sitzsack fallen.
    »Ich spüre einen beruflichen Bruch in deinem Leben«, beginnt er, ohne auch nur ein Wort von mir gehört zu haben. »Es gab Enttäuschungen, doch nun musst du wieder an dich glauben.« Nachdem er meine Handflächen inspiziert hat, will er meinen Geburtstag wissen. »Löwe? Das sind gute Voraussetzungen. Was also ist dein Problem?«
    In den folgenden Minuten leiere ich mal wieder meinen beruflichen Werdegang herunter, den ich selbst kaum noch hören kann. Als ich fertig bin, nuschelt der Meister etwas in seine gefalteten Hände und entlässt uns dann mit einem Ratschlag an mich: »Folge deinem starken Herzen, mein Sohn, denn nur wer sein Ziel kennt, wird es auch erreichen.«
    »Was schulden wir Ihnen denn?«, fragt Theresa draußen.
    »Avatron macht sich nichts aus weltlichem Lohn, aber wenn ihr etwas spenden wollt …« Er weist auf eine Keksdose mit Schlitz, die neben seinem Zelt steht, und beobachtet Theresa dabei, wie sie einen Zehner einwirft.
    Fassungslos von den Erlebnissen des Tages verabschiede ich mich von Shakti-Theresa, die auf der Messe noch ein paar Kollegen besuchen will. Auf der Straße angekommen, laufe ich schnell Richtung U-Bahn und drehe mich erst nach ein paar Minuten noch einmal um. Was war das bloß für ein Vormittag? Ist das alles wirklich passiert? Auch in den folgenden Tagen beschäftigen mich diese Fragen noch, und dennoch hat mir der selbst ernannte Retter der Welt in seinem verpupsten Zelt etwas klargemacht: Ich sollte mich stärker auf das konzentrieren, wofür mein Herz schlägt. In diesem Zusammenhang wäre es doch super, wenn sich der Philosoph von der Stiftung mal wieder melden würde.

    Als ich am Anfang der nächsten Woche meine erste Schicht als Callcenterboy in diesem Jahr absolviere, läuft die Chefin des Ladens an meinem Platz vorbei und schaut mich lange an. Zu tun hatte ich mit der großen rothaarigen Frau Wecker bisher erst einmal, denn für die Betreuung der Interviewer sind hier die Supervisoren zuständig, von denen es ungefähr ein Dutzend gibt. Wie Thomas, der meine Einweisung geleitet hat, hören sie im Zufallsverfahren die Telefonate mit, geben uns daraufhin Feedback und teilen uns für die verschiedenen Befragungen ein, die hier durchgeführt werden. Auch nicht gerade ein Traumjob, aber im Gegensatz zu den Telefonisten müssen sie keine Interviews führen und sind im Rahmen eines festen Arbeitsvertrags finanziell auf keinerlei Erfolgsquote angewiesen.
    Kurz vor Ende meiner Schicht schließe ich ein Interview ab und werde dann von einer der Supervisorinnen ins Büro der Chefin geschickt. Dort wartet Frau Wecker und bittet mich, die Tür hinter mir zu schließen. Dann öffnet sie das Fenster und bietet mir einen Sitzplatz und eine Zigarette an. Mit dem Lebenslauf in der Hand, den ich bei meiner Bewerbung hier eingereicht habe, fragt sie mich, wie lange ich schon als Interviewer tätig bin und ob mir der Job

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