Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)
übersinnlichen Fähigkeiten der Dame an. Ähnlich wie bei Kornkreisfeldern, schreibt die Autorin dieser großartigen Website dazu, seien wegen der kosmischen Belichtung alle Grashalme um sie herum abgeknickt.
Mein Bauch ist jetzt komplett angespannt, doch Theresa hat mich offenbar noch nicht genug gequält. Weiter unten auf der Seite zeigt sie uns ein Foto der Meisterin in fortgeschrittenem Alter, auf dem sie einen Hut aus Federn trägt. In einem Aschenbecher neben ihr qualmt eine Zigarette, die Beschreibung des Fotos besagt jedoch, bei dem Rauch handele es sich um ein Lichtwesen, das auf ihrer Schulter sitzt.
Als ich gerade mein Gesicht in den Händen vergrabe, die Beine aneinanderpresse und auch meinen ganzen restlichen Körper verkrampfe, um nicht laut loszuprusten, erlöst mich ein Herr, der nun aufsteht und laut schimpft. »Sie wollen uns doch verarschen!«, brüllt er Theresa an. »So einen Schwachsinn habe ich ja schon lange nicht mehr gehört. Ich geh jetzt zur Geschäftsleitung und verlange meinen Eintritt zurück!« Dann schiebt er sich meckernd aus der Stuhlreihe und stampft aus dem Saal, dessen Türen er hinter sich zuknallt.
Hat er denn wirklich geglaubt, auf einer Esoterikmesse seriöse Erkenntnisse präsentiert zu bekommen?
»Wer das nicht glaubt«, beruhigt Theresa ihr murmelndes Publikum, »kann Frau Popow-Orlow noch heute persönlich treffen. Ihr Stand ist in Halle 2.«
In aller Ruhe fasst sie dann noch einmal die wichtigsten Erkenntnisse ihrer quantenmechanischen Untersuchung des Orgonfeldes zusammen und bedankt sich für die Aufmerksamkeit. Der Applaus ist nun zwar etwas verhaltener als zuvor, aber trotzdem begeben sich nach dem Vortrag mehrere Menschen zur Referentin und löchern sie mit Fragen. Gemeinsam mit Flo warte ich, bis Shakti alle beantwortet hat, dann verlassen wir zu dritt den Saal.
»Manche Menschen wurden von der blinden Wissenschaft einfach so sehr indoktriniert«, überlegt Theresa auf dem Weg nach draußen, »dass sie ihr drittes Auge gar nicht mehr öffnen können.«
»Ach, komm schon, Theresa«, werfe ich etwas lauter als nötig ein, »die Meisterin von dieser Website war schon etwas ulkig! Da musst du dich doch nicht wundern, wenn …«
»Spar dir deine Worte«, unterbricht sie mich scharf. »Ich stell dir die Frau jetzt vor. Flo, du wartest hier!«
Theresa ergreift meine Hand und zieht mich einmal quer durch die Halle hinter sich her, bis wir vor einem Stand stehen bleiben, hinter dem eine Frau in türkisfarbener Robe mit geschlossenen Augen eine Melodie summt. Auf ihr Kleidungsstück ist in Brusthöhe eine Sphinx gestickt, darunter erkenne ich Pyramiden und ein paar Kamele. Auf dem Kopf trägt sie ein goldenes Metallstirnband, auf dessen Vorderseite ein roter Plastikstein geklebt ist.
»Da ist es: das dritte Auge!«, flüstert Theresa mir ehrfürchtig zu. »Wahrscheinlich spricht sie gerade mit den Toten.«
»Das kann nicht dein Ernst …«
»Wer stört meine Reise?«, will die Meisterin mit starkem russischen Akzent von uns wissen und schaut mich plötzlich an. »Ich sehe … Unglaube. Giftige Unglaube!«
Vorsichtig nimmt sie das Stirnband ab, legt es beiseite und greift unter den Tisch. Aus den geheimnisvollen Untiefen zaubert sie ein aufwendiges Gestell aus goldenem Draht hervor, das sie nun auf ihrem Kopf platziert.
»Mit diese Helm, ich habe meine eigene Gehirn zu eine Labor gemacht.« Sie schließt die Augen und stimmt ein russisches Lied an. »Das ist mein Schutzschild gegen die Unglaube!« Dann singt sie weiter und wendet sich von uns ab.
»Also?« Mit großen Augen schaue ich Theresa an.
»Sie ist jetzt in der Meditation, wir sollten sie nicht länger stören«, erwidert sie, während wir den Stand verlassen. »Es mag dir vielleicht alles komisch vorkommen, aber es gibt Leute, die ihren Theorien Glauben schenken. Kannst du das nicht akzeptieren?«
»Oh doch, kann ich! Aber das sind keine Theorien, sondern blanker Unsinn! Und wenn du mich fragst: Die Dame ist entweder eine gewiefte Betrügerin oder ein Fall für den Arzt.«
Wie so oft lächelt Theresa meine Kritik einfach weg und meint, ich solle mal auf die spirituelle Berufsberatung warten, dann werde ich schon sehen, dass es viele seriöse Anbieter in diesem Bereich gebe.
Als wir Flo vor dem Saal wieder einsammeln, in dem Shakti ihre Rede gehalten hat, merke ich, dass mein Magen knurrt.
»Unten gibt’s sehr gute Lichtnahrung«, meint Theresa und zwinkert mir zu. »Aber du kannst ja auch
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