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Binärcode

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Titel: Binärcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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musste ordentlich mit der Bürste nachhelfen! Und dann natürlich Fenster auf, um den Gestank rauszukriegen .«
    Rünz gluckste wie ein Baby, er hatte Tränen in den Augen und haute sich beim Lachen mit der flachen Hand auf den Oberschenkel. Er ging völlig auf in seiner Anekdote. Langsam legte sich seine Begeisterung, und er registrierte, dass das Amüsement eine eher unilaterale Angelegenheit geblieben war. Seine Frau schaute betreten zu Boden, und die Psychologin starrte ihn an wie eine amorphe Lebensform aus dem Andromedanebel.

     
    Sein Handy klingelte mal wieder im richtigen Moment. Die Psychologin schaute ihn tadelnd an, als er es aus der Tasche zog, aber sie konnte nicht ernsthaft von ihm erwarten, sein wichtigstes Arbeitsgerät für etwas Belangloses wie eine Stunde Paartherapie abzuschalten. Bunter hatte ihm eine SMS geschickt.

     
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    * * *

     

     
    Seit die US-Army aus Angst vor Terroranschlägen die Durchfahrt zwischen Cambrai-Fritsch-Kaserne und Jefferson-Siedlung gesperrt hatte, musste man sich mit dem Auto über Heidelberger und Heinrich-Delp-Straße am Seminar Marienhöhe vorbeifädeln, ein indiskutabler Umweg, schließlich war die Anhöhe kaum einen Kilometer vom Präsidium entfernt. Rünz fasste einen verwegenen Entschluss – er würde die Direttissima zu Fuß durch den Wald nehmen, in heldenhafter Verachtung der fast 50 Meter Höhenunterschied, die er dabei zu überwinden hatte. Auf halber Höhe, völlig außer Atem, verfluchte er die Odenwälder Bergwacht. Keine Sicherungsmöglichkeiten, kein Basislager, nicht einmal eine Schutzhütte bot Unterschlupf für Bergsteiger, die sich mit dem Aufstieg zu viel zugemutet hatten. Er wurde von einer Gruppe joggender Senioren in hautengen Leggings überholt, die nicht halb so schwer atmeten wie er.
    An der offenen Eingangstür zur Sternwarte brauchte er einige Minuten, bis seine Biodaten wieder im grünen Bereich waren. Dann betrat er die Volkssternwarte, eine seltsame Konstruktion ineinander verschachtelter Oktaeder, dominiert vom achteckigen Turm auf der Nordseite, dessen Spitze die kleine Halbkugel des Observatoriums bildete. Mit den wenigen Fensteröffnungen und Lichtleisten, die zudem mit Glasbausteinen verschlossen waren, hatte der Bau etwas von einem umgewidmeten Wehrmachtsbunker.
    »Ist hier jemand ?«
    Keine Antwort. Er versuchte es noch einmal etwas lauter.
    »Hallo, Herr Stadelbauer?«
    »Gehen Sie einfach immer die Treppen hoch, bis es nicht mehr weitergeht !« , rief jemand von oben.
    Rünz folgte der Anweisung. Wie befürchtet glich der Grundriss des Gebäudes eher einem Labyrinth als dem eines zweckmäßig und übersichtlich aufgeteilten Rechteckrasters . Er stand schließlich vor einer steilen Stiege, die in die Beobachtungskuppel hinaufführte, und sah oben einen hageren Mittfünfziger an einem Teleskop hantieren.
    »Herr Stadelbauer?«
    »Kommen Sie hoch, ist genug Platz für zwei .«
    Rünz stieg hoch und suchte sich eine freie Ecke in der Halbkugel. Das Öffnungssegment der Kuppel war nach außen weggeklappt, die Wintersonne erleuchtete die samtartige schwarze Innenauskleidung. Die erzwungene körperliche Nähe zu dem unbekannten Menschen war Rünz zuwider, aber genau genommen war ihm jede körperliche Nähe zuwider.
    »Welcher Architekt hat sich denn an diesem Labyrinth verwirklicht ?«
    Stadelbauer lachte.
    »Anders hätten wir Anfang der 80er-Jahre hier gar nicht bauen dürfen! Einen Steinwurf von hier hat die Bundesnetzagentur eine Außenstelle. Die kontrollieren die nationalen Funknetze und Frequenzzuordnungen. Ein Gebäude mit glatten Fronten in so kurzer Entfernung hätte denen unerwünschte Reflektionen beschert. Also hat unser Architekt einfach ein paar außergewöhnliche geometrische Grundformen verwendet – und jetzt haben wir die weltweit einzige Stealth-Sternwarte !«
    Der Vereinsvorsitzende wirkte, als hätte ihn eine Zeitmaschine direkt aus den 70er-Jahren ins Hier und Jetzt katapultiert. Er trug Koteletten an den Wangen, eine krause Matte auf seinem Schädel, die auf versprengte afroamerikanische Gensequenzen in seinem Stammbaum hindeuteten, eine Brille mit einem 20 Jahre alten Kassengestell und ein enges, verwegen gemustertes Nylonhemd mit halbmeterlangen Kragenspitzen. Eigentlich hatte er recht, warum sollte man intakte Kleidung nicht mehr verwenden, nur weil sie unmodisch war? Außerdem erforderten ja nur die

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