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Titel: Binärcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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Kragen seiner Jacke zusammenhaltend, um sich vor der kühlen Brise zu schützen. Der Astronom setzte sich lässig auf die Mauer wie auf eine Parkbank und wies mit dem Arm Richtung Innenstadt.
    »Stellen Sie sich da drüben, mitten in der Stadt, am Langen Ludwig, so einen Hüpfball vor, einen Meter Durchmesser, das ist die Sonne. Gut 40 Meter entfernt, am Brunnen vor dem Regierungspräsidium, liegt ein Schrotkorn, drei Millimeter groß, Merkur. Knapp 80 Meter vom Turm, am Haupteingang des Luisencenters, liegt eine dicke Erbse, die Venus. Wir mit unserer Erde sind kaum größer und ungefähr auf halbem Weg zum Schloss, gut 100 Meter vom Hüpfball entfernt. Dann kommt Mars, gut halb so groß wie die Erde, ungefähr 160 Meter entfernt, also irgendwo auf dem Ludwigsplatz. Das waren die inneren Planeten. Dann eine Pampelmuse auf dem Altar der Kuppelkirche, mehr als einen halben Kilometer von unserem Hüpfball entfernt – Jupiter, der erste der äußeren Planeten und der Riese des Systems. Und Saturn? Ein Tennisball in einem Kilometer Entfernung. Auf dem Unicampus an der Lichtwiese liegt eine Kastanie, mehr als zwei Kilometer vom Zentrum, das ist Uranus. Hier, wo wir stehen, mehr als drei Kilometer Luftlinie vom Hüpfball, ist Neptun, groß wie eine Walnuss. Und Pluto, unser Stiefkind, dem wir die Planetenrechte aberkannt haben? Ein Stecknadelkopf auf dem Prinzenberg, über vier Kilometer vom Luisenplatz entfernt .«
    Rünz war fasziniert. Er vergaß für einen Augenblick seine Höhenangst, fasste Mut und trat einen Schritt vor zum Fernrohr. Die Sicht war beeindruckend, er konnte im Norden die Hochhaus-Skyline der Frankfurter City erkennen, Flugzeuge, die von der Startbahn West aus nach Süden aufstiegen, die rheinhessischen und pfälzischen Höhenzüge auf der westlichen Rheinseite.
    »Und zwischen diesen kleinen Bällchen ist – nichts?«
    »Nicht ganz, und das ist der Punkt !«
    Stadelbauer ruderte begeistert mit den Armen, während er erzählte.
    »Sie erinnern sich an die Lücke zwischen den inneren und den äußeren Planeten, zwischen Mars und Jupiter? Da ist ganz schön was los – na ja, kein wirkliches Gedränge, aber für die Verhältnisse in unserem Sonnensystem eine regelrechte Party. Über 100 000 Objekte nach aktuellem Forschungsstand, die meisten einige Hundert Meter oder ein paar Kilometer im Durchmesser, krumm wie Kartoffeln. Der größte, Ceres, sieht schon mehr einem Planeten ähnlich und hat einen Radius von knapp 1000 Kilometern. Ceres ist deswegen 2006 zum Zwergplaneten gekrönt worden. In diesem Asteroidengürtel könnten die Vogonen oder Romulaner entspannt einen Satelliten von der Größe eines Öltankers parken, ohne dass wir ihn als solchen erkennen würden .«
    Eine Windböe fegte um die Plattform, Rünz klammerte sich am Stativ des Fernrohrs fest. Der Astronom ließ unbeeindruckt ein Bein über dem Abgrund pendeln.
    »Wenn den Extraterrestrischen der Asteroidengürtel nicht zusagt, dann haben wir noch einen anderen Großparkplatz zu bieten, den Kuipergürtel, jenseits der Neptunbahn. Wir haben bis jetzt gut 1000 Objekte aus dieser Zone katalogisiert, aber nur solche mit mehr als 100 Kilometern Durchmesser, die kleineren können wir mit unseren technischen Mitteln gar nicht sehen. Letztes Jahr hat eine taiwanesische Gruppe Messungen durchgeführt, die haben belastbare Indizien, dass dort Billiarden hochhausgroßer Kleinplaneten existieren. Das ideale Versteck für einen außerirdischen Erkunder, wenn Sie mich fragen. Und dann haben wir ja noch die Oortsche Wolke, ein Friedhof mit Abfällen aus der Entstehung unseres Sonnensystems, eine Apfelsinenschale mit Milliarden von Objekten, die uns außerhalb der Planetenbahnen in 1,5 Lichtjahren Entfernung umgibt. Da eröffneten sich ganz neue Möglichkeiten – zumindest in Rossis Fantasie .«
    Stadelbauer kam richtig in Fahrt, ein Mann hatte sein Metier gefunden. Rünz fragte sich, was er beruflich machte, wahrscheinlich einen Nine-to-five-Job irgendwo in der Verwaltung, der ihn intellektuell völlig unterforderte und ihm ausreichend Zeit und Energie für sein Hobby ließ. Vielleicht saß er wie Einstein im Patentamt und knobelte die Weltformel aus. Der Verlust seines Vereinskameraden schien ihn so wenig zu bewegen wie Rünz der seiner französischen Kollegin. Seine Freunde waren die Sterne, Rünz liebte seine Ruger.
    »Ein wirklich intelligent gebauter kosmischer Erkunder würde vielleicht kometengleich auf einer stark elliptischen Bahn im

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