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Binärcode

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Titel: Binärcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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Extraterrestrial Intelligence‹. Die US-amerikanische Regierung hat ein paar Jahre lang viel Geld ausgegeben, um den Himmel nach codierten Radiosignalen abzusuchen. Heute beteiligen sich Tausende von Hobbyastronomen weltweit an dieser Abhöraktion, Aliensuche von unten, wenn Sie so wollen. Tommaso war Mitglied der SETI-League, ein internationaler Verein, der die Radioastronomie im Amateurbereich fördert .«
    »Die wollen mit TV-Sat-Antennen die Signale von Außerirdischen aufspüren ?«
    »Das ist weniger verrückt, als Sie vielleicht denken. So viel Technik brauchen Sie gar nicht, um ein Signal aufzufangen, das Ganze ist eher ein galaktisches Lotteriespiel. Sie müssen nur mit Ihrer Antenne zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Himmelspunkt mit der richtigen Frequenz abhören. Abgesehen von der Frage, ob es da draußen irgendetwas gibt, was Signale sendet – statistisch ist es einfach extrem unwahrscheinlich, irgendetwas davon aufzuschnappen. Aber es gibt ja auch Menschen, die im Lotto gewinnen !«

     

     
    * * *

     

     
    Rünz brauchte etwas Zeit, um die Informationsflut zu verdauen. Wie Reinhold Messner am Nanga Parbat wählte er für den Abstieg von der Ludwigshöhe die flachere Ostflanke, über den Heinemannweg und die Wilbrandschneise. Vor der Nieder-Ramstädter-Straße bog er links ab und war nach einigen Minuten am Goethefelsen. Er suchte sich einen Baumstamm als Sitzgelegenheit und legte sich seine Handschuhe unter, damit er sich nicht Blase und Prostata verkühlte. Die Urogenitalregion des Mannes ab 40 bedurfte des Schutzes und der Schonung.
    Dann warf er den Projektor seines Fantasiekinos an und ließ die Landgräfin Karoline mit dem jungen Goethe und ihrem Kreis der Empfindsamen entlangflanieren, versunken in romantische Unterhaltungen und feingeistige Reflexionen, wie vor über 230 Jahren. Eine Weile hörte er ihnen zu, sie berauschten sich gemeinsam am Zauber der Natur und der Poesie und erschufen sich ihr eigenes Elysium. Hätten sie einen emotional Unterentwickelten wie ihn in ihre Runde aufgenommen? Rünz hielt es in solchen Fällen wie Groucho Marx – er mochte keinem Verein beitreten, dem Leute wie er angehörten. Die Kälte kroch ihm langsam aus dem Baumstamm in den Unterleib, er brach auf nach Westen Richtung Präsidium.

     
    Die meisten Menschen konnten sich entspannen und auch mal an nichts denken. Jedenfalls hatten sie dann das Gefühl, an nichts zu denken. In Wahrheit arbeiteten ihre Gehirne ununterbrochen, sammelten Eindrücke und Sinnesreize aus der Umwelt, ordneten und verarbeiteten sie im Reich des Unbewussten. Aber ihre Wahrnehmungsapparate gingen dabei selektiv vor, sie sortierten Umweltreize instinktiv nach einer Prioritätenliste, die von ihrer Profession abhing – vorausgesetzt, sie hatten in ihrem Leben Beruf und Berufung zur Deckung bringen können. Kein Coiffeur war imstande, die Frisuren seiner Mitmenschen zu ignorieren, wenn er in seiner Freizeit durch die Stadt bummelte. Eine Grafikerin würde niemals die Missachtung typografischer Grundregeln auf einem Werbeplakat übersehen. Und Rünz’ Kriminalistenhirn war konditioniert darauf, die Erscheinungen und Phänomene um ihn herum in schlüssige, kausale Zusammenhänge zu bringen, abgerichtet auf die automatenhafte Herleitung konsistenter und widerspruchsfreier Erklärungen für Alltagsbeobachtungen. Sobald diese intuitive Erklärungsmaschine klemmte, wurde er aufmerksam.
    Auf Höhe des Goetheteiches blieb er stehen und drehte sich langsam um. Über der spiegelglatten Wasseroberfläche schwebte eine zentimeterhohe Dunstschicht, aus der in den Uferzonen einige tote Äste herausragten. Er ging in die Hocke, spähte über den Nebelschleier und scannte das gegenüberliegende Ufer Meter für Meter ab. Dann hatte er ihn. Ein brauner Kegel, die Spitze gerundet, auf einer Seite abgeflacht und schwarz, ragte einige Zentimeter aus dem Uferschlamm; ein geometrischer Körper, den in dieser Form weder Flora noch Fauna hervorbrachten. Rünz ging im Schnelldurchgang die Bilder von ähnlich geformten Alltagsgegenständen durch, die ihm in den Sinn kamen, und entschied, dass die Spitze eines Damenpumps dieser Kontur am nächsten kam. Hinter dem Gegenstand waren einige armdicke Äste aufgestapelt, vielleicht die Hinterlassenschaft spielender Kinder, die sich ein Floß hatten bauen wollen, vielleicht das Werk eines Menschen, der etwas verstecken wollte. Er ging weiter, auf der Südseite um den Tümpel herum. Vom Wanderweg aus war die

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