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Titel: Binärcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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Sterbebett wieder ausspuckte. Für die Vermarkter neuer Sportarten musste Deutschland der Garten Eden sein. Ein durchschnittlicher Landsmann entschied sich nicht einfach für eine Sportart und übte sie dann aus. Vielmehr praktizierte man eine systematische, strukturierte Annäherung, die in der Regel mit der Lektüre von Ratgebern begann, geschrieben von Menschen wie Rosi Mittermaier und Christian Neureuther, die mit ebendieser Sportart tiefes, dauerhaftes Lebensglück und Zufriedenheit gefunden hatten. Dann folgten Abonnement und Studium fachspezifischer Periodika (›Fit mit Walking‹, ›Nordic Fitness‹, ›Walking Magazin‹, ›Nordic Walker‹) mit intensiver Auswertung von Testergebnissen für das notwendige technische Equipment, dessen Erwerb für den verletzungsfreien Übergang in die nächste Phase unverzichtbar war. Unter Anleitung eines Instructors, besser aber eines Master Instructors, konnten erworbenes Wissen und Ausrüstung dann in der Praxis zusammengeführt werden. Das Ganze endete dann meist in kaum erträglicher chronischer Auskennerose, Expertopathie und Fachsimpelitis. Ob Blitzkrieg, Tierschutz oder Sport, wenn seine Landsleute etwas anpackten, dann machten sie es gründlich.
    »Wie viel kosten die Dinger denn ?« , fragte Rünz.
    »Haben wir im Moment im Angebot, die kommen auf 139,90 Euro, zehn Euro Einkaufsgutschein und einen kostenlosen Einführungskurs mit unserem Master Instructor Sven inklusive, plus Pay-back-Punkte natürlich. Hast du schon unsere Acti-Flex-ClientCard? Damit gibt’s noch mal zehn Prozent, und wir halten dich per Mail über unsere Angebote auf dem Laufenden .«
    Rünz knabberte noch am Preis.
    »Und wenn ich einfach ein paar Skistöcke nehme?«
    Mike schaute ihn an, als hätte er vorgeschlagen, einen Pudel zu frittieren.
    »Davon kann ich dir nur abraten, du wirst dir einen völlig falschen Bewegungsablauf antrainieren und deine Gelenke ruinieren. Wie sieht’s denn mit Schuhen aus, bist du schon ausgerüstet ?«
    Rünz lächelte entspannt.
    »Klaro hab’ ich Turnschuhe, Mike. Kein Thema!«
    Der jugendliche Jargon bereitete ihm zunehmend Vergnügen, er fühlte sich gleich zehn Jahre jünger. Vielleicht suchten sie noch einen Verkäufer oder Trainer? Aber Mike stutzte ihn gleich wieder zurecht.
    »Eins musst du dir klarmachen, mit normalen Turnschuhen kannst du beim Nordic Walking keinen Topf gewinnen! Bei deiner Statur empfehle ich dir den Gel-Tech Walker 7 WR von Asics, die Referenz in der Basic-Walking-Klasse. Warte mal …«
    Er verschwand Richtung Schuhregal und kam mit einem schwarzen Turnschuhpaar zurück. Was meinte er mit ›Bei deiner Statur …‹ und ›Basic-Walking‹? Rünz blieb keine Zeit zum Nachdenken.
    »Schau dir die mal an – IGS Flexkerben, GEL-Dämpfungssystem in Rück- und Vorderfuß, kombinierte DUOMAX und TRUSSTIC-Stützelemente, innovative SOLYTE-45-Grad-Lasting-Mittelsohle. Das Ganze im BIOMORPHIC-Konzept mit Personal-Heel-Fit gegen Fersenschlupf und Security-Package mit 3M-Reflektoren.«
    Rünz schaute Mike schweigend an. Langsam verstand er, was Stadelbauer gemeint hatte, als er von grundsätzlichen Kommunikationsproblemen zwischen Individuen verschiedener Lebensformen gesprochen hatte. Er wollte sich doch einfach nur ein bisschen bewegen …

     
    Mike hatte ihn noch davon überzeugen können, dass er sich ohne spezielle Nordic-Walking-Funktionsunterwäsche und -handschuhe in Lebensgefahr begab – so verließ er um über 500 Euro erleichtert das Sportgeschäft. Auf der Zeil drückte er sich sofort in eine Nische, packte die Utensilien aus, drehte die Außenseiten der Plastiktüten mit dem Logo des Geschäfts nach innen und steckte alles wieder ein. Als er die Tüten im Parkhaus in seinem Kofferraum verstaut und sich auf den Fahrersitz hatte fallen lassen, atmete er tief durch. Er wusste, was passieren würde. Das ganze Zeug landete unbenutzt in seinem Keller, und in zehn oder 20 Jahren zog es ein türkischer Familienvater aus einem Sperrmüllhaufen im Paulusviertel, um es im Bürgerpark auf dem Flohmarkt zu verkaufen.

     

     
    * * *

     

     
    Großes Kino. Ein leeres Parkdeck, hoch über den Dächern der Stadt, zwei Männer warten schweigend in einem 63er Lincoln Continental. Ein offener Buick Skylark fährt die Rampe hoch, parkt drei Reihen weiter. Der Cabriofahrer fischt einen kleinen Alukoffer von seinem Rücksitz, steigt aus, schnippt seine Zigarette über die Brüstung und geht auf den Lincoln zu. Er öffnet die Hecktür,

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