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Binärcode

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Titel: Binärcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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wäre ihr furchtbar peinlich, sie hätte früher drauf kommen müssen – es geht um die Sache mit dem Katzenstreu. Das Zeug kann als Brandbeschleuniger eingesetzt werden. Egal, was Sie nehmen, um etwas abzufackeln – Diesel, Benzin, Verdünner –, wenn Sie es über irgendein poröses Material oder Granulat schütten, können Sie die Wirkung vervielfachen, muss irgendwas mit der Oberflächenvergrößerung zu tun haben, wenn ich sie richtig verstanden habe.«
    Wedel wirkte deprimiert und abwesend, während er erzählte, als gäbe es nichts Langweiligeres auf der Welt als diese Geschichte mit dem Katzenstreu.
    »Außerdem hat sie ein paar Daten rübergeschickt, die ihre Kollegen von Rossis USB-Stick retten konnten. Die meisten Bits und Bytes sind Reste von Office-Programmen und -dateien, Word, Excel, PowerPoint, außerdem ein Haufen PDF-Dokumente, wissenschaftliche Arbeiten, technische Dokumentationen, die er sich wahrscheinlich aus dem Internet runtergeladen hat. Aber ein winziges Paketchen von 1,6 Kilobyte können sie keiner marktüblichen Anwendersoftware zuordnen .«
    Rünz kaute lustlos an seiner Kohlroulade herum.
    »Schicken Sie die Datei an diesen Hobbyastronomen von der Volkssternwarte. Ich weiß, nicht gerade der vorschriftsmäßige Umgang mit Beweismitteln, aber wenn es sich um Files einer astronomischen Spezialsoftware handelte, werden sich die IT-Experten vom KTI monatelang die Zähne dran ausbrechen .«
    »Und wenn der Typ selbst mit den Morden zu tun hat?«
    »Stadelbauer? Kein Motiv, Alibi zum Tatzeitpunkt. Und als Strippenzieher im Hintergrund eine absolute Fehlbesetzung. So viel Aufregung kann der gar nicht vertragen .«
    Wedel schaute immer noch drein wie Regenwetter.
    »Was ist los mit Ihnen ?« , fragte Rünz. »Junge Menschen wie Sie sind doch normalerweise ständig gut drauf und haben permanent fun. Ist Ihr iPod defekt? Haben H&M die Preise raufgesetzt? Skateboard verloren ?«
    »Oberliga«, nuschelte Wedel. Sonst nichts.
    »Entschuldigen Sie, ich wusste nicht … – das tut mir leid«, kondolierte Rünz. Fast hätte er seinem Assistenten tröstend die Hand gehalten. Die Anteilnahme schien Wedel aufzuweichen. Er schaute an Rünz vorbei zum Fenster, die Lippen zusammengepresst, Tränen in den Augen, und schüttelte den Kopf.
    »Zweieinhalb Torchancen gegen München II, keine genutzt .«
    Wie schaute eine halbe Torchance aus? Rünz vermied technische Detailfragen.
    »Aber in der Oberliga können die Lilien dann doch richtig aufdrehen !« , sagte Rünz. Wedel schien den plumpen Aufmunterungsversuch überhaupt nicht wahrzunehmen. Rünz entschied, ihn in den folgenden Tagen etwas zu schonen.

     

     
    * * *

     

     
    Ein ganz dummes Vorurteil, natürlich hießen nicht alle Fitnesstrainer, Surfer, Snowboarder und Verkäufer in Sportgeschäften Sven oder Mike. Nur der hier hieß zufällig so. Mike war braun gebrannt, hatte eine gepiercte Unterlippe, einen sonnengebleichten, leicht angefilzten Waikikibeach-Blondschopf und porzellanweiße Zähne. Wahrscheinlich kam er gerade von irgendeinem hirnverbrannten, von Red Bull gesponsorten Extreme-Outdoor-Kitebike-Canyoning-Event auf Tahiti zurück, bei dem tumbe Berufsjugendliche mit albernen Sportgeräten Sprünge machten, die sie Backflip, Mac-Twist, Indy Air oder Tail-grap nannten.
    »Ich empfehle dir den Speed Pacer Vario von Leki, da hast du gleich was Solides. 16-Millimeter-Teleskoprohr aus hochmodularem Carbon, Nordic-Thermo-Trigger-II-Griffe mit Power-Race-Trigger-II-Schlaufen. Super-Lock SLS 10 Verstellsystem, Hartmetall-Flexspitze mit Walking-Lite-Gummipuffer. Und als Special Feature das Ultra Sonic Finish Nordic Tellerwechselsystem. Damit bist du für alles gerüstet .«
    Mike duzte ihn mit diesem unwiderstehlichen Wir-Sportler-sind-alle-unglaublich-lässige-und-unkomplizierte-Typen-da-spielt-der-Altersunterschied-überhaupt-keine-Rolle-Charme. Rünz hatte sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, aber er war entschlossen, der Empfehlung des Arztes zu folgen. Er schaute sich unsicher um. Ein Sportgeschäft auf der Frankfurter Zeil aufzusuchen, war ein geschickter Schachzug gewesen, aber selbst hier konnte ihn ein bekanntes Darmstädter Gesicht beim Kauf einer Nordic-Walking-Ausstattung entdecken. So weit war es mit ihm gekommen. Eine ernsthafte Diagnose, die Empfehlung eines jungen Medizinerschnösels, schon war er eingeknickt und hatte sich in den Mahlstrom ziehen lassen, der Fitness genannt wurde und seine Opfer in der Regel erst auf ihr

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