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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischnapping
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Blicke. Unruhiges Füßescharren.
    »Wir wussten, dass damit zu rechnen war«, sagte Mr Bowles.
Gretchen wich ein Stück zurück.
    »Ja, ich ziehe zur alten Mrs Blackstock nebenan, um das
Haus wohlwollend im Auge behalten zu können, obwohl ...« Ich sah mich um. »Ich
war seit vier Jahren nicht mehr in diesem Raum, nicht mehr seit ... Oooh. Das
ist alles ein bisschen ...« Ich schnappte zweimal nach Luft, schlug mir aufs
Herz. »Darf ich mich mal kurz hinsetzen? Mir wird plötzlich so komisch.«
    Ich ließ mich mit einem Plumps neben dem Kamin nieder,
hechelte noch ein bisschen mehr.
    »Sie hätten nicht vielleicht irgendwas zur Hand, um meine
Nerven zu beruhigen? Brandy, Whisky? Ein Wodka Tonic wäre schön. Ohne Eis.«
    »Wir trinken nicht«, sagte er. »Aber wir haben einen
selbst gemachten Holunderblütenlikör.«
    »Genau das Richtige.«
    Gretchen eilte in die Küche. Ich konnte hören, wie die
Schranktür geöffnet, ein Glas herausgenommen wurde. Ich wusste genau, wo sie
war, wo sie stand, wie sie den Arm ausstreckte. Mr Bowles vermied es, auf den
Kaminsims zu schauen. Gretchen kam zurück, reichte mir das Glas. Ich hab schon
gesehen, wie in der Tripperpraxis in Dorchester gesünder aussehende
Sekretproben abgegeben wurden. Ich trank einen Schluck.
    »Lecker. Aber vielleicht sollten wir doch in den Wintergarten
gehen. Hier zu sitzen weckt bloß furchtbare Erinnerungen.« Ich streckte einen
Fuß aus. »Da hat sie mit mir geschlafen, an dem Abend, wussten Sie das, genau
da auf dem Teppich, die Hände noch warm von Mirandas Blut. Schwer zu glauben,
was, eben noch hat sie ihr den Schädel mit einem Stein eingeschlagen, und im
nächsten Moment ist sie auf allen vieren, splitterfasernackt, und reißt mir die
Klamotten vom Leib. Ich meine, er sieht jetzt so friedlich aus, nicht? Ich
nehme an, Sie haben das Gleiche gemacht. Auf dem Teppich, meine ich. Nicht
jemanden umgebracht.« Ich lachte. Ein ziemlich schrilles Lachen. »Darf ich mir
noch ein Glas holen? Die Küche ist noch da, wo sie immer war, schätz ich?«
    Ich wankte rüber. Vor lauter Fischernetzen und Bootshaken
und teerverschmiertem Kork konnte man sich kaum bewegen. Die beiden standen in
der Tür, trauten sich nicht herein. Ich trank eine weitere Sekretprobe, ließ
ein bisschen davon auf mein Hemd kleckern.
    »Hätten Sie was dagegen, wenn ich das Linoleum hier drin
erneuern lassen würde? Sehen Sie den rostbraunen Fleck da drüben? Da hat sie
meine Fische ermordet. Prachtexemplare waren das. Sie hat sie mit einem von
Mirandas besten Stilettes erstochen.« Ich deutete zum Fenster hinaus. »Sehen
Sie die Nymphe mit dem kaputten Bein? Da war ihr Teich. Ich wollte Audrey drin
ersäufen, als ich dahinterkam, was sie getan hatte, und das hätte ich auch gemacht,
wenn die Polizei mich nicht zurückgehalten hätte. Und ja, vor dem Haus wurde
Police Constable Stone in die Luft gejagt, als ich gerade verhaftet wurde.
Seien Sie vorsichtig, wenn Sie den Rasen im Vorgarten mähen. Da müssen noch
überall Knochenstückchen von ihm rumliegen. Er war erst neunundzwanzig. All die
Jahre hatten wir diesen Türstopper, eine alte Granathülse, ohne zu ahnen, dass
das Ding noch scharf war. Also, Sie sind viel an der frischen Luft, sagten Sie.
Dann gehen Sie viel spazieren?«
    »Spazieren, wandern, campen und so.« Mr Bowles wirkte jetzt
ziemlich defensiv.
    »Ich dachte bloß, Sie würden meinen kleinen Plan vielleicht
befürworten.«
    »Aha?«
    »Ja, das Gefängnis verändert einen Menschen, seine
Prioritäten, seinen Blick auf das Leben. Als ich hinter Gitter kam, war ich
selbstsüchtig und rücksichtslos, das kann ich nicht bestreiten. Manche würden
sagen, ich war brutal, grausam, unberechenbar. Ich trage wahrscheinlich genauso
viel Schuld an den schrecklichen Dingen, die unter diesem Dach passiert sind,
wie Audrey. Aber im Gefängnis fängt man an, sich selbst wahrzunehmen, Mrs
Bowles, seine Mitmenschen, seine Mitgefangenen, man erkennt, wie gefährdet wir
sind, dass es uns alle treffen kann und wir allein auf die Gnade Gottes«, ich
bekreuzigte mich, »bauen können.«
    »Wie wahr«, sagte Gretchen.
    »Und deshalb habe ich mir geschworen, dass ich, falls ich
je wieder rauskäme, denjenigen helfen würde, die wie ich im Gefängnis waren,
dass ich ihnen helfen würde, wenn sie am meisten Hilfe nötig haben, nämlich in
den ersten Wochen, die sie wieder im richtigen Leben sind. Und wo könnte ich
das besser tun als hier, in meinem alten Revier, mit den vielen Stränden

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