Binding, Tim
und
dem Meer und dem Schwimmen und den Angelhaken, wo könnten sie besser in Ruhe
einen Blick auf sich selbst werfen und mit ihrem inneren Häftling Frieden
schließen? Wie diese Treibholzstücke in Ihrem Wohnzimmer möchte ich das
Treibholz aus den Gefängnissen Ihrer Majestät hierherholen, überwiegend
Freunde, wie ich mit Stolz sagen darf, möchte sie formen, ihre rauen Kanten
glätten, ihnen, keine Ahnung, Gelassenheit schenken. Es wird nicht einfach
sein, es wird auf dem Weg so manchen Fehltritt geben, aber, bei Gott, es ist
die Mühe wert. Und falls es mal richtig zur Sache geht, nun, glauben Sie mir,
ich bin kein Schwächling. Mrs B unterstützt meine Pläne voll und ganz. Sie hat
bereits zwei ihrer Zimmer im Erdgeschoss entsprechend vorbereitet. Wir
erwarten den Ersten am Sonntag, meinen alten Kumpel Victor, hartnäckiger
Wiederholungstäter, ich sag Ihnen lieber nicht, was er alles auf dem Kerbholz
hat, ich möchte Sie nicht beunruhigen, aber glauben Sie mir, er würde keiner
Fliege was zuleide tun. Hat von seinen sechsunddreißig Jahren dreiundzwanzig
gesessen. Ist das zu fassen?
Kein Wunder, dass er davon gezeichnet ist, aber Camping,
das könnte genau das Richtige für ihn sein, meinen Sie nicht auch? Dürfte ich
mir das Stück Treibholz noch mal anschauen?«
Innerhalb einer Stunde hatten sie gepackt und das Weite
gesucht. Ich warf sämtliche Tannenzapfen und das ganze Treibholz im Garten auf
einen Haufen, kippte Benzin drüber und warf ein Streichholz rein. Die Flammen
schossen hoch, erhellten meine Steinnymphe, flackerten über ihren Körper, als
erwachte sie zum Leben, als könnte sie spüren, dass ich zum Leben erwachte, als
hätte sie auf diesen Augenblick gewartet, genau wie ich. Es war lange her, seit
ich das gesehen hatte, heiß schimmerndes Fleisch vor meinen Augen. Ich konnte
nicht anders. Sie können vielleicht nicht nachvollziehen, was ich dann tat, was
ich einfach tun musste. Vielleicht kann das nur jemand nachvollziehen, der
selbst eingesperrt war, im Knast und innerlich, denn wenn du im Knast sitzt,
bist du auch innerlich eingesperrt und brauchst ein Ventil. Ich blickte mich
um, öffnete meinen Hosenschlitz, fasste mich an. Es flog nur so aus mir raus,
direkt auf sie drauf.
»Bonsai«, sagte ich. »Bonsai, verdammt noch mal.«
Ich machte meine Hose wieder zu, drehte mich um. Die alte
Schnüffelnase lehnte über den Zaun, schon wieder einen Joint in der Hand.
»Schön, dass Sie wieder da sind, Al.« Sie nahm einen tiefen
Zug, hielt mir den Joint hin. »Alleinsein ist so langweilig.«
DREI
A m nächsten Morgen weckte mich ein
Geräusch, von dem ich gedacht hatte, dass ich es nie wieder hören würde:
Sommerregen auf dem Dach. Er prasselte dumpf und hart über meinem Kopf, als
wäre ich nie fort gewesen. Wie oft hatte ich das Geräusch früher gehört, wenn
Audrey neben mir lag, in ihrem Maginot-Linie-Nachthemd, oder als ich klein war
und Mum hereinkam, eine Tasse Tee und einen Keks in der Hand, die Augen zur
Decke erhoben? Sie sang immer dasselbe Lied, meine Mum, wenn wir bei miesem
Wetter nicht zum Strand konnten. Rain on the
Roof hieß es. »You and me and
rain on the roof«, so fing es an, und während sie
sang, drückte sie mich ganz fest, und danach war mir egal, was wir machten,
wir zwei gemütlich zu Hause, ich malte Bilder oder spielte Verhörmethoden im
Hinterzimmer, Mum backte Rosinenbrötchen oder diese kleinen Kuchen aus
Cornflakes und Schokolade. Und hier und jetzt hörte ich ihn wieder. Derselbe
alte Regen. Dasselbe alte Dach. Nur was drunter ist, ändert sich.
Ich zog mir ein Paar Socken an und sah mich um. Ich hatte
gestern fast den ganzen Tag bei Mrs B verbracht und mich von ihr auf den
neuesten Stand bringen lassen. Sie hatte mächtig was zum Essen eingekauft,
kaltes Brathähnchen, Kalbfleisch-Schinken-Pastete, ein dickes Stück Cheddar,
für sich selbst irgendeine vegetarische Brühe, all das stand auf dem Tisch
zusammen mit einer Flasche Schampus, an deren Etikett eine kleine Karte
pappte. »Al Greenwood, Free At Last«, hatte sie daraufgeschrieben und dann den
Song gespielt, als sie den Korken knallen ließ. Mir kamen fast die Tränen, vor
allem bei dem Gedanken daran, was sich zwischen uns abgespielt hatte, damals.
Ich brachte es nicht übers Herz, ihr zu sagen, worauf ich eigentlich Lust
hatte: eins von Mr Singhs Currys der Stärke acht, und zum Runterspülen einen
Eimer Lager. Immerhin, sie hatte einen ordentlichen Vorrat an Wodka der Marke
Belvedere
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