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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischnapping
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für mich, sondern für die Schwachköpfe, die
ich rausgeekelt hatte. Oder es war der Göttergatte persönlich, weil er die
Marmelade wiederhaben wollte. Ich nahm ab, fast beschwingt.
    »Al Greenwood, zu Ihren Diensten. Für jede Tour zu haben.«
So hatte ich mich immer am Telefon gemeldet, als ich noch das Taxiunternehmen
besaß, zumindest, wenn ich dachte, es wäre eine Frau am anderen Ende, und wenn
Audrey außer Hörweite war.
    »Hallo, Dad.«
    Ich konnte es nicht fassen. Miranda! Miranda rief an. Es
war alles ein schrecklicher Irrtum gewesen. Audrey hatte sie gar nicht
umgebracht, genauso, wie ich nicht Audrey oder Michaela oder vielleicht
überhaupt wen umgebracht hatte. Audrey hatte sie wohl nur bewusstlos
geschlagen, mehr nicht, sie bewusstlos geschlagen und hinüber aufs
Artilleriegelände geschleppt, wo wir alle dachten, sie wäre in winzige Stücke
gesprengt worden. Aber nein, sie musste wach geworden sein, ganz benommen und
verwirrt, an Gedächtnisverlust gelitten haben und dann umhergeirrt sein, ohne
zu wissen, wer oder was sie war. Ein Schlag auf die Rübe kann so etwas zur
Folge haben, das weiß jeder. Aber da war sie wieder, auferstanden von den
Toten. Und sie hatte mich gerade Dad genannt! Zum allerersten Mal! Mann, das
Leben ist manchmal ein Dreiviertelparadies.
    »Miranda!«, sagte ich. »Mein Äffchen! Ich kann's gar nicht
glauben. Du lebst!«
    Ein Keuchen. Ich konnte hören, wie sie nach Luft rang,
völlig schockiert, meine Stimme zu hören. Sie und ich, wieder vereint, aber
diesmal sozusagen offiziell. Dann antwortete sie.
    »Nein, Dad. Hier ist nicht Miranda. Hier ist Carol, deine
eheliche Tochter, weißt du nicht mehr, die Tochter, die mit ihrem Zukünftigen
putzmunter nach Australien abgehauen ist, die Tochter, die du seit acht Jahren
nicht mehr gesehen hast.«
    Carol! Ich hatte sie ganz vergessen, das heißt, natürlich
nicht ganz, so was
passiert einem schließlich nicht, nicht beim eigenen Nachwuchs, auch wenn er
noch so nervt, aber sie war mir nicht mehr so präsent gewesen, schon lange
nicht mehr. Das war nicht immer so. Damals, als sie noch klein war, da waren
wir ein Herz und eine Seele, Carol und ich. Sonntagmorgens, wenn ich dem
Vanden Pias seine wöchentliche Politur verpasste, wich sie mir in ihren kleinen
weißen Söckchen nicht von der Seite, mit einem flauschigen, gelben Staubwedel
von der Größe ihres Kopfes, als würde sie eine riesige Pusteblume tragen. Sie
fand es toll, ihrem Dad zu helfen, sein großes schwarzes Auto auf Hochglanz zu
bringen, und wenn ich sie mir auf die Schultern setzte, damit sie sich über das
Dach lehnen konnte, bewegten sich ihre Ärmchen wie Windmühlen. Zauberhaft waren
diese Morgenstunden, nur sie und ich und der durchs Küchenfenster wabernde
Geruch des Sonntagsbratens, den Audrey anbrennen ließ. Und dann, mit dreizehn
oder so, war sie eines Morgens wie ausgewechselt gewesen, ganz und gar nicht
mehr die Carol, die ich kannte. Wollte nichts mehr zu tun haben mit mir oder
dem Wagen, als wäre es ihr peinlich, was ich beruflich machte, mit meinem Anzug
und den Handschuhen und der Art, wie ich meine Mütze zurechtrückte, wenn ich
die Beifahrertür öffnete. Danach blühten mir vier Jahre, in denen sie mich von
oben herab behandelte, vier Jahre Hochnäsigkeit und Beleidigtsein und Türenknallen
und Zu-ihrer-Mutter-Halten, wenn Audrey und ich uns fetzten. Dann wurde sie
siebzehn, und es hieß, ab auf die Sekretärinnenschule und in die große Stadt.
Konnte gar nicht schnell genug wegkommen. Und das war's. Selbst als sie aus
London zurückkam, erkannte ich sie kaum wieder. Wir waren einander fremd
geworden, das kann ich nicht bestreiten, trotzdem, ich hätte gedacht, sie würde
sich mal melden, als ich in den Knast kam. Aber kein Wort, nicht ein einziges,
nicht mal zu meinem Geburtstag. Es hätte doch nicht viel Mühe gemacht, ab und
an eine Postkarte mit ein paar Zeilen, vielleicht mal ein Foto. Nicht von sich
natürlich, denn anders als Miranda war Carol nicht besonders fotogen, vor
allem seit sie am Great Barrier Reef ein Bein verloren hatte. Nein, irgendwas
für meine Zellenwand, zum Beispiel einen Blätter fressenden Koalabären oder
Kylie Minogue auf einem Baum, irgendwas, das mich bei Laune gehalten hätte.
Nicht zu viel verlangt, möchte man meinen, aber so ist das nun mal mit
Familien. Sie können nicht anders, als dich unglücklich zu machen.
    »Carol, Schatz! Natürlich bist du das. Ich würde deine
Stimme überall erkennen. Ich bin bloß

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