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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischnapping
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zur Hand, und natürlich ihr Selbstgezogenes. Als ich schließlich zurückwankte,
war ich dermaßen zu, dass ich dreimal versuchte, die Treppe nach oben zu den
Zellen zu finden, ehe mir wieder einfiel, wo ich war. Jetzt, da ich durch
dieselben Räume ging, auf dieselben Möbel starrte, fühlte sich alles ein
bisschen an wie der Bodensatz von etwas, matt und grau, ausweglos, wie das
Wetter draußen. Leben auf der Bungalow-Spur. Es würde eine gewisse Eingewöhnungszeit
brauchen.
    Ich ging in die Küche. Die war jetzt richtig kahl. Das
Einzige, was ich wiedererkannte, stand auf dem Regal: die
Lady-Diana-Hochzeit-Gedenktasse, die Audrey gekauft hatte, damit Blind Lionel,
Wools führender Unisex-Friseur, ihr die gleiche Frisur verpasste. Ein
Riesenfehler war das gewesen, denn Blind Lionel hatte ihr die Haare wie Prinz
Charles geschnitten, der auch auf der Tasse prangte, bloß auf der anderen
Seite.
    Die Bowles hatten die Schränke leer geräumt, bis auf ein
halbes Glas Himbeermarmelade. Ich stand am Fenster, schaufelte den Rest mit
einem Messer heraus. Ich überlegte, zur Bucht zu gehen, um zu sehen, wer so
alles da war. Später könnte ich nach Dorchester fahren. Ich musste ein paar
Einkäufe machen. Audrey hatte sämtliche Klamotten ausgemistet, die ich je
besessen hatte, sogar meine besten Autohandschuhe. Ich hatte noch andere Sachen
zu erledigen, mich mit Rump verabreden, versuchen, ihn irgendwie zum Reden zu
bringen, rausfinden, ob es irgendwelche Hinweise gab, wer an dem fraglichen
Sonntagnachmittag oben auf der Klippe gewesen sein könnte. Er hatte jede Menge
Leute befragt, als Miranda verschwunden war. Zum Beispiel die Frau vom
Parkplatzkassenhäuschen, Mickey Travers' Tochter. Die hatte ungefähr zur
passenden Uhrzeit jemanden zum Kliff raufgehen sehen. Vielleicht hatte sie
irgendwas gesagt, was ihm entgangen war. Vielleicht war ihm ja auch bei
anderen, mit denen er gesprochen hatte, irgendwas entgangen. Natürlich musste
ich auf der Hut sein. Ich konnte nicht einfach damit rausrücken. Ich musste es
auf indirektem Weg versuchen, so, dass er es kaum mitkriegte, und dazu bot
sich nur eine sichere Methode an. Fische. Die Gattung Karpfen. Tja, es ging nun
mal nicht anders.
    Drüben im Garten, da, wo der Teich gewesen war, hatte das
Gras eine andere Farbe als der Rest, heller, schwächer, und in der Mitte stand
die Nymphe, als wäre sie gestrandet. Sie sah mich aus den Augenwinkeln an. Ich
wusste, was sie dachte. Ich dachte dasselbe.
    Ich ging in die Diele, griff mir Mums alten Koffer und
schleppte ihn ins Wohnzimmer. Ich hatte nicht viel mitgebracht, ein paar
Zeichnungen, die ich gemacht hatte, einen Satz Buntstifte, die ich bei Bernie
abgestaubt hatte, ein Buch über diesen alten Henry Moore, das Miss Prosser mir
zwei Jahre zuvor zu Weihnachten geschenkt hatte, das Foto von Miranda, wie sie
neben dem Vanden Pias stand, der Rahmen ganz verbogen, weil Victor versucht
hatte, mir damit ein Ohr abzuschneiden, und mittendrin, schön sicher
eingewickelt in mein zweites Hemd, Torvill. Ich wickelte sie aus, hielt sie in
den Händen. Ihre Farbe war mit den Jahren ein wenig verblasst, und direkt über
den Kiemen hatte sie eine Delle, wo Audrey ihr den Schuhabsatz reingerammt
hatte, aber sie sah noch immer wunderhübsch aus, hatte noch immer den Körper,
bei dem einem Koi-Liebhaber die Hände jucken. Ich durchquerte den Raum und
stellte sie mitten auf den Kaminsims, unter die Stelle, wo das Foto der beiden
gehangen hatte. Sie hatte die Lippen gespitzt, als würde sie noch immer
versuchen, sie Dean entgegenzustrecken, um ihn zu küssen. Aber ihr Tanzpartner
war längst nicht mehr da.
    »Nur du und ich, mein Mädchen«, sagte ich. »Nur du und
ich.«
    Sie blickte mich aus dem Winkel ihres unversehrten Auges
an, und wir beide waren uns der Leere um uns herum bewusst. Da klingelte das
Telefon.
    Ich ging hin, starrte es an, fragte mich, wer zum Teufel das
sein konnte. Ich hatte niemandem erzählt, dass ich hierherkommen wollte, und
überhaupt, wer kannte die Nummer? Vielleicht lag es am Haus, an der Leere, als
wäre hier absolut nichts, keine Gegenwart, keine Zukunft, nur Vergangenes,
jedenfalls war das Telefon laut, richtig laut, lauter, als ich es je zuvor
gehört hatte, so laut, als würde es die Fensterscheibe zerspringen lassen, wenn
es weiter klingelte. Ich blickte Torvill an, aber sie sagte nichts, starrte
bloß geradeaus, tat so, als könnte sie es gar nicht hören. Dann machte es bei
mir klick. Der Anruf war gar nicht

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