Bindung und Sucht
körperliche und verhaltensbezogene Aspekte des Computerspielverhaltens der Betroffenen in einer »sekundengenauen« Analyse beleuchtet. Dabei treten verhaltenssteuernde Wünsche, Ängste und Motivationen deutlicher und klarer zu Tage. Im Prozess der Veränderung wird die intrinsische Motivation zur Reduktion von (Online-) Spielzeiten aufgebaut. Hauptziele der Behandlung der Computerspielsucht sind daher 1.) die Reduzierung der Online-Zeiten auf ein normales Maß und 2.) das Wiedererlernen von alternativen Verhaltensweisen, wie z. B. durch die Onlinenutzung vernachlässigte Aktivitäten bzw. Hobbys. Dazu zählt ebenso die (Wieder-) Aufnahme (realer) sozialer Kontakte, die schon allein durch die Therapieform des Gruppensettings deutlich befördert wird. Die Therapien setzen auf ein ambulantes Behandlungskonzept, da die Konfrontation mit den häuslichen Lebensbedingungen und auch das Erleben von Misserfolgserlebnissen (wie z. B. Rückfälle) direkt in den therapeutischen Prozess mit einbezogen werden können. Das Gruppensetting bietet sich als Therapieform besonders an, da gerade der Austausch der Betroffenen untereinander die Chance bietet, am Modell des Anderen zu lernen und Rückhalt in der Gruppe zu finden. Die Entscheidung, (wieder und wieder) zu spielen, ist für die Betroffenen von teilweise nicht sofort erkennbaren gedanklichen und emotionalen (also auch vor- bzw. unbewussten) Prozessen beeinflusst. In der individuellen Beobachtung des Spielverhaltens der Patienten soll anhand bestimmter Spielsequenzen herausgearbeitet werden, welche individuellen Prozesse an der Entscheidung, das Spiel fortwährend aufzusuchen, beteiligt sind (Wölfling & Müller 2008).
Im Rahmen einer multizentrischen randomisiert-kontrollierten Behandlungsstudie wird derzeit – koordiniert von der Ambulanz für Spielsucht der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz – ein verhaltenstherapeutisches Behandlungsmanual (Wölfling et al., im Druck) auf seine Wirksamkeit hin überprüft. Im Rahmen des Studiendesigns werden die wesentlichen wissenschaftlichen Anforderungen an Behandlungsstudien (vgl. King et al. 2011) zur Evaluation von Psychotherapieverfahren überprüft, wie z. B. das Prüfen gegen eine Kontrollbedingung (Warte-Kontrollgruppe), Randomisierung und Verblindung.
Literatur
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