Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bindung und Sucht

Bindung und Sucht

Titel: Bindung und Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Heinz Brisch
Vom Netzwerk:
auch mit niedrigen Dosen gute und dauerhafte Wirkungen hätte erzielen können. Aber die weitverbreitete Phobie in Bezug auf eine Abhängigkeit verhinderte eine umfassende empirische Evaluation solcher Überlegungen. Der gemischte Mü-Rezeptor-Agonist/Antagonist Buprenorphin löst die meisten dieser Probleme, und offene Studien haben die hohe und anhaltende Wirksamkeit niedriger Buprenorphin-Dosen bei depressiven Patienten aufgezeigt, denen viele anerkannte Antidepressiva keinerlei Erleichterung verschafft hatten (Bodkin et al. 1995). Diese »Wunderdroge« hat zudem den höchst wünschenswerten Effekt, Dynorphin-Rezeptoren, die im Gehirn weitverbreitet sind, zu blockieren und damit die euphorischen Potentiale des (belohnungssuchenden) SEEKING-Systems zu unterdrücken. Da hohe Gaben von Buprenorphin die mit Abhängigkeit im Zusammenhang stehenden Mü-Rezeptoren tatsächlich blockieren, hat das Mittel einen fail-safe- Mechanismus, der addiktive Eskalationen und den daraus folgenden Missbrauch mit dem Risiko des Atemstillstands in Schach hält. Dass diese Medikation in der Forschung stark vernachlässigt worden ist (kein ausreichendes Follow-up nach der provokativen Studie von Bodkin et al. 1995 zur refraktorischen [wiederkehrenden] Depression), liegt wohl u. a. auch daran, dass die Gewinnspanne für das nicht mehr unter Patentschutz stehende Mittel deutlich zurückgegangen ist und damit weniger Geld für teure klinische Versuche zur Verfügung steht, die für die Zulassung als Arzneimittel erforderlich sind.
    Dafür hat die Analyse der genetischen Veränderungen bei Tieren, die sich im ausgiebigen sozialen Spiel ergehen, das zum Teil über die dopamingesteuerte Funktion des im medialen Vorderhirnbündel zentrierten SEEKING-Systems erfolgt (Burgdorf et al. 2007; Panksepp & Moskal 2008), eine Vielzahl von Zielpunkten der Arzneimittelentwicklung erbracht (Moskal et al. 2011; zu damit zusammenhängenden Fragen siehe auch Krishnan & Nestler 2008). Als Ersterwurde in diesem Zusammenhang der insulinähnliche Wachstumsfaktor 1 (IGF-1) evaluiert, der sich als ein affektiv positives Molekül erwies (Burgdorf et al. 2010); weil er das Wachstum von Tumoren förderte, wurde die weitere Entwicklung dieses medizinischen Konzepts dann aber aufgegeben. Der zweite Top-Kandidat fand sich in der Familie der Glutamatrezeptoren, die sich in unseren präklinischen Modellen als den positiven Affekt fördernd erwies. Vor diesem Hintergrund erbrachte ein medizinischer Vektor, der die glutamaterge Transmission auf dem Weg über direkte Wirkungen auf den Glyzinrezeptor modulieren konnte, bei Tieren robuste positive Affekte und antidepressive Wirkungen, und eine Substanz, GLYX-13, bestand die tier- und humantoxikologischen Tests (ohne dass schädliche Wirkungen beobachtet wurden) und befindet sich gegenwärtig in Phase 2 der von der zuständigen Behörde überwachten klinischen Erprobung (Burgdorf et al. 2011).
Die Anatomie des medialen Vorderhirnbündels und der mit ihm zusammenhängenden Systeme: Implikationen für die Depression
    Wenn wir von der Existenz des SEEKING-Systems beim Menschen ausgehen, dann sollte es möglich sein, es mit hochentwickelten bildgebenden Verfahren als sehr robust verkabelten subkortikalen Strang darzustellen. Seit dem ersten Bericht über die unbeabsichtigte Aktivierung des medialen Vorderhirnbündels (MFB) bei einem Parkinson-Patienten im Verlauf der Tiefen Hirnstimulation des Nucleus subthalamicus (Coenen et al. 2009) und der Darstellung dieser Struktur mit der Diffusionstensor-Magnetresonanztomografie (DTI) und der Technik des Fibre tracking (FT) haben wir weitere Einblicke in die detaillierte Anatomie des MFB (das mehr oder weniger das SEEKING-System repräsentiert) und seines Gegenspielers ATR (der anatomischen Realisierung des PANIC-Systems; ATR = anterior thalamic radiation) gewonnen, auf die wir hier nicht näher eingehen wollen. Beide sind vor kurzem identifiziert und eingehend beschrieben worden (Coenen et al. 2012 [im Druck]). Im Einzelnen: Das mediale Vorderhirnbündel ist, wie mit dem genannten Verfahren dargestellt, eine massive zweigeteilte Struktur. Individuelle Kartierungen zeigen, dass der Hauptstamm sich in zwei Hauptteile verzweigt, die jeder einer bestimmten Richtung folgen. Kaudal zur ventralen tegmentalen Area (VTA) schließt der Hauptstamm an den Nucleus dentatus an, vielleicht einschließlich des Arnoldschen Bündels, von wo er dem Pedunculus superior folgt, um dann, möglicherweise

Weitere Kostenlose Bücher