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Bindung und Sucht

Bindung und Sucht

Titel: Bindung und Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Heinz Brisch
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und seinen negativen Einfluss angeht. Auch wenn die Männer ein etwas höheres Maß an Arbeitssucht und einen etwas ausgeprägteren Konflikt zwischen Beruf und Familie angaben, änderte dies nichts an der Art des Zusammenhangs zwischen dem Workaholismus des einen und der Beziehungszufriedenheit des anderen Partners. Dass wir insoweit keine geschlechtsbedingten Unterschiede fanden, könnte u. a. daran liegen, dass unsere Stichprobe aus gut ausgebildeten jungen Paaren bestand, die mit ihren noch kleinen Kindern erheblichen familiären Verpflichtungen nachzukommen hatten. Das könnte beide Partner veranlasst haben, sich im gleichen Maß in das Familienleben einzubringen. Je überzeugender die Indexperson – ob Mann oder Frau – ihren Workaholismus schilderte, desto stärker war der Konflikt zwischen Beruf und Familie, dem sie ausgesetzt war. Dieser Konflikt repräsentiert den verbindenden Mechanismus zwischen berufsbezogenen Faktoren auf der einen und familiären oder individuellen Entwicklungen auf der anderen Seite (Voydanoff 2002) und zeigt an, wie weit die betroffene Person es zulässt, dass die negativen Aspekte ihres Berufslebens sich auch in ihrer Privatsphäre ausbreiten. Sobald der Konflikt zwischen Beruf und Familie ins Spiel kam, nahmen die Betroffenen unabhängig von ihrer Geschlechtszugehörigkeit ihr unterstützendes Verhalten gegenüber der Partnerperson offensichtlich zurück, womit zugleich die Beziehungszufriedenheit nachließ. Konzeptuell ähnliche Erkenntnisse sind schon früher berichtet worden. Moen und Yu (2000) stellten fest, dass Arbeitsbedingungen, Arbeitsstunden und Lebensqualität – Stress, Konflikt zwischen Beruf und Familie und aktive Problembewältigung inbegriffen – zwischen Männern und Frauen differierten. Allerdings waren die mit der Lebensqualität zusammenhängenden Faktoren bei beiden Geschlechtern die gleichen, was darauf deutet, dass hinter dem Zusammenhang zwischen der beruflichen Situation und dem Privatleben die gleichen Mechanismen stehen.
Einschränkungen
    Auch wenn das Schwergewicht unserer Studie auf der Erkundung und Zusammenführung von Daten aus dem Binnenraum der Paarbeziehung – Daten, welche die Paarbeziehung selbst bzw. das Verhältnis zwischen den Partnern betreffen – liegt, müssen wir hier auf gewisse Einschränkungen aufmerksam machen: Die Studie konzentrierte sich auf die Beziehungen zwischen den Geschlechtern, und ob die Resultate auch für gleichgeschlechtliche Paare gelten können, ist nicht bekannt. Auch wurde die Studie in den Niederlanden durchgeführt, was die Gültigkeit unserer Ergebnisse nach außen hin begrenzt. Zunehmend setzt sich die Erkenntnis durch, dass ein größeres soziales, kulturelles und politisches Umfeld die Wahrnehmungen und Erfahrungen der Menschen im Spannungsfeld von Beruf und Familie beeinflussen könnte (z. B. Lewis 1997; Westman 2002). In den Niederlanden z. B. ist der Staat für Maßnahmen zuständig, die der Vereinbarkeit von Beruf und Familie dienen (z. B. Maßnahmen der Kinderbetreuung), während es in anderen Ländern, etwa in den Vereinigten Staaten, in erster Linie die Betriebe sind, die ihren Arbeitnehmern entsprechende Möglichkeiten bieten. Das heißt also, das spezifische gesellschaftliche Umfeld könnte unsere Ergebnisse beeinflusst haben, die deshalb mit Vorsicht interpretiert werden müssen. Es kommt hinzu, dass die Antwortrate in unserem Fall relativ niedrig (40 %) war, was die Verallgemeinerbarkeit unserer Ergebnisse in Frage stellen könnte. Andererseits sollten wir bedenken, dass niedrige Antwortraten in der crossover -Forschung nicht ungewöhnlich sind (z. B. Demerouti et al. 2005; Mauno & Kinnunen 1999). Doppelverdienerpaare sind häufig zu sehr mit ihrem beruflichen und privaten Leben beschäftigt, als dass sie antworten könnten. Und schließlich arbeiteten wir mit einem Querschnittdesign, das Kausalschlüsse nicht zulässt. Den von unserem Modell vorgestellten Zusammenhängen muss also in Längsschnittuntersuchungen noch weiter nachgegangen werden – umso mehr, als Arbeitssucht jedenfalls zum Teil (als ausweichende Bewältigungsstrategie) auch eine Folge geringer Zufriedenheit in der Beziehung sein kann.
    Ungeachtet dieser Einschränkungen besagt unsere Studie, dass Arbeitssucht negative Folgen für die Beziehungsqualität hat. Workaholiker lassen es zu, dass ihr berufliches Leben ihre Privatsphäre überlagert, und scheinen vergleichsweise weniger geneigt, ihren Partnerpersonen zu Hilfe zu kommen,

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