Bindung und Sucht
nachgeht, wobei sie die Dyade als Untersuchungseinheit nimmt. Frühere Studien beriefen sich nahezu ausschließlich auf nur eine Informationsquelle (Eigenberichte von Arbeitnehmern oder von deren Partnerinnen) und waren folglich mit dem Manko der Selbstpräsentation und der gemeinsamen Methodenvarianz behaftet. Der wichtigste Beitrag dieser Studie besteht darin, dass sie einen Zusammenhang zwischen Workaholismus und dem Verhalten von Arbeitnehmern im Privatleben aufdeckte, wie es von den jeweiligen Partnern berichtet wird. Männer wie Frauen berichteten über den eigenen Workaholismus und den persönlichen Beruf-Familie-Konflikt, und die zugehörigen Partner berichteten über die Unterstützung,die sie erhielten, und über ihre Beziehungszufriedenheit. Die Ergebnisse stützen eindeutig unsere spillover -Hypothese, denn sie zeigen, dass Workaholismus in einem positiven Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen Beruf und Familie steht. Das heißt also, bei Personen, die zwanghaft dazu neigten, einen extrem hohen Anteil ihrer Zeit auf die Arbeit zu verwenden, zeigte sich auch ein stärkerer wechselseitiger Einfluss zwischen Arbeits- und Privatleben. Sie tendierten stärker als andere dazu, auch dann über ihre Arbeit nachzudenken und sich Sorgen darüber zu machen, wenn sie zu Hause waren; sie gaben ihrer Arbeit den Vorrang, vernachlässigten ihre häuslichen Obliegenheiten und ihre Partnerbeziehung. Die Folge war, dass die jeweiligen Partner weniger Unterstützung von ihnen erfuhren, was dazu führte, dass ihre Beziehungszufriedenheit abnahm. Das stützt unsere indirekte crossover -Hypothese, der zufolge ein arbeitsbezogenes Verhalten und die entsprechende Anspannung auf den Partner ausstrahlen und auf das Familienleben übergreifen können.
Damit liegt das Verdienst dieser Studie auch darin, dass sie den Prozess aufdeckt, der abläuft, wenn die Arbeit mit dem Privatleben interferiert, weil die Betroffenen von ihrer Arbeit besessen sind. Die Ergebnisse decken sich mit Hobfolls (2002) Theorie der Ressourcenerhaltung. Danach sorgen ihre zwanghaften Tendenzen dafür, dass Arbeitssüchtige mehr Ressourcen (z. B. Zeit, Emotionen) auf ihre Arbeit verwenden, was ihnen weniger Ressourcen lässt, die sie ihrer Familie zugute kommen lassen könnten. Überdies entsprechen unsere Ergebnisse auch der Hypothese von der Rollenverengung (Edwards & Rothbard 2000), die ja postuliert, dass die Menschen ein begrenztes und feststehendes Repertoire von Ressourcen besitzen (z. B. Zeit und Energie). Das Bewältigen vielfältiger Rollen (der Rolle des Arbeitnehmers, des Ehe-/Lebenspartners, der Elternperson) ist problematisch, denn alle diese Rollen zapfen die gleichen, nur begrenzt vorhandenen Ressourcen an. Frühere Forschungen haben gezeigt, dass es vor allem zeit- und stressbedingte Konflikte sind (die Erfüllung der Anforderungen im einen Bereich ist schwierig, weil Zeit auf den anderen, Stress erzeugenden Bereich verwendet wird, und umgekehrt), die alle möglichen negativen Folgen im Bereich der Arbeit, der Familie und der psychischen Stabilität nach sich ziehen (eine Meta-Analyse findet sich bei Allen et al. 2000).
Und schließlich dehnen unsere Erkenntnisse die bisherige spillover - und crossover -Forschung weiter aus, indem sie zeigen, dass und wie die beiden Strömungen in der Literatur zusammenhängen. Der Konflikt zwischen Beruf und Familie hat nicht nur vielfältige Auswirkungen auf die betroffene Person selbst, sondern auch auf ihren Partner. Im Einklang mit Westmans (2006) crossover -Theorie haben wir gezeigt, dass es einen indirekten crossover von Belastungen (Workaholismusund WFC) gibt, vermittelt durch die Interaktion der Partner (in Gestalt der mangelnden sozialen Unterstützung). Neben diesem indirekten crossover liefert unsere Studie auch Anhaltspunkte für einen direkten crossover der Beziehungszufriedenheit zwischen den Partnern. Wohl handelt es sich bei der Beziehungszufriedenheit um eine Erfahrung, die in der Regel von beiden Partnern geteilt wird (Mauno & Kinnunen 1999), aber die empirischen Nachweise dafür sind spärlich, und unsere Studie ist die erste, die einen solchen Zusammenhang bestätigt. Das heißt, neben dem crossover negativer Erfahrungen bestätigt unsere Studie, dass auch ein crossover positiver Erfahrungen zwischen Paaren stattfindet.
Im Einklang mit unserer Annahme fanden wir keine substantiellen Unterschiede zwischen den Geschlechtern, was das »Eindringen« des Workaholismus in die Partnerbeziehung
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