Bindung und Sucht
=.29) und »ungelöste Traumatisierung« (F wilks (1) = 14.26, p = .001, ε 2 = .30) einen signifikanten Haupteffekt, jedoch keinen Interaktionseffekt für die Diagnosegruppen (vgl. Abb. 3a – c, S. 80).
Diskussion
In der vorliegenden Studie stehen drei Hauptthemen zur Diskussion: 1.) die Verteilung der Bindungsrepräsentationen bei essgestörten Patientinnen; 2.) der Zusammenhang zwischen einer sicheren Bindungsrepräsentation zu Therapiebeginn und dem Therapieerfolg bzw. einer unsicheren Bindungsrepräsentation und einem Therapieabbruch; 3.) die Veränderung der Bindungsrepräsentation während des Verlaufs der 4-monatigen Therapie bei essgestörten Patientinnen und die Zunahme an Bindungssicherheit sowie die Überwindung ungelöst-traumatisierter Bindungsrepräsentationen.
Abb. 2 a – c: Veränderung der Skalen für die Bewertung der Bindungserfahrungen im AAI vor und nach
der Therapie
Zum Abschluss der Diskussion der Ergebnisse in diesen drei Bereichen wird auf die Einschränkungen der vorliegenden Studie eingegangen.
Abb. 3a – c: Veränderung der Skalen für die Bewertung der Bindungserfahrungen im AAI vor und nach
der Therapie
Essstörung und Bindungsrepräsentation
Die Verteilung der mit dem Adult Attachment Interview erhobenen Bindungsklassifikation weist in Normalstichproben bei Jugendlichen und Erwachsenen durchgängig eine Häufung von sicheren Bindungsrepräsentationen bei zwischen 56 % und 62 % der Interviewten auf, während in klinischen Stichproben unsichere Bindungsorganisationen deutlich überwiegen und nur 13 % der Patienten eine sichere Bindungsorganisation haben (vgl. van IJzendoorn & Bakermans-Kranenburg 1996).
Die vorliegenden Ergebnisse für die Stichprobe der essgestörten Patientinnen entsprechen der Häufung von unsicheren und ungelöst-traumatisierten Bindungsrepräsentationen, die in anderen Untersuchungen mit essgestörten Patienten berichtet wird (vgl. Ward et al. 2000). Mit einem Anteil von 76,1 % unsicherer Bindungsrepräsentationen unterscheidet sich die Verteilung in der vorliegenden Studie deutlich von gesunden Stichproben auch im Jugendalter (vgl. Zimmermann & Becker-Stoll 2001), wobei der Anteil sicherer Repräsentationen mit 23,9 % höher liegt als in der Metaanalyse von van IJzendoorn und Bakermans-Kranenburg (1996) oder in den Studien mit essgestörten Patientinnen (Ward et al. 2000). Eine mögliche Erklärung dafür ergibt sich aus der Tatsache, dass es sich hier um Patientinnen einer teilstationären Einrichtung handelt und somit um eine Auswahl von Patienten, bei denen das Ausmaß ihrer Krankheit eine teilstationäre Behandlung ermöglicht. Schwerer erkrankte Patientinnen müssen in vollstationären Einrichtungen behandelt werden. Außerdem handelt es sich zusätzlich um eine Stichprobe mit vorwiegend jugendlichen und jungen Erwachsenen, so dass bei einem Großteil der Patientinnen noch keine langjährige Chronifizierung vorliegt.
In der Untersuchung von Fonagy und Mitarbeitern (1996) wurde bei den essgestörten Patientinnen ein sehr hoher Anteil an ungelöst-traumatisierten Klassifikationen berichtet (13 von 14), während Candelori und Ciocca (1998) nur 5 von 36 Patientinnen als ungelöst-traumatisiert einstuften. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit liegen in etwa zwischen den beiden berichteten Studien, mit einem Anteil von 26,1 % ungelöst-traumatisierter Patientinnen.
Eine Zuordnung der Diagnosegruppen Anorexie und Bulimie zu den Bindungsrepräsentationen »unsicher-distanziert« und »unsicher-verwickelt« konnte in der vorliegenden Arbeit nicht gefunden werden. In den bisherigen Untersuchungen zu Bindung und Essstörungen werden widersprüchliche Ergebnisse diesbezüglich berichtet. Während Candelori und Ciocca (1998) eine bulimische Symptomatik mit »unsicher-verwickelter« Bindungsrepräsentation in Verbindung bringen, findet Salzman (1997) eine Häufung von verwickelten Repräsentationen auch bei anorektischen Patientinnen.
Aus bindungstheoretischer Sicht ist keine eindeutige Zuordnung einer spezifischen Bindungsrepräsentation zu einer klinischen Diagnose zu erwarten. Mit dem Adult Attachment Interview wird die Integration der Bindungserfahrungen erhoben, damit ist das Interview Ausdruck der Bindungsrepräsentation und nicht der psychischen Störung. Mit der Bindungsrepräsentation wird ein möglicher Schutz- oder Risikofaktor erhoben, der Aufschluss über die Organisation der internalen Arbeitsmodelle und damit auch der zugrunde liegenden
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