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Bindung und Sucht

Bindung und Sucht

Titel: Bindung und Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Heinz Brisch
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Erfahrungen und ihrer Konsequenzen für das eigene Erleben und Verhalten stattfand; damit konnten neue Beziehungserfahrungen innerhalb der Gruppe und mit den behandelnden Therapeuten gemacht werden. Die Tatsache, dass nach der Therapie keine »ungelöst-traumatisierten« Bindungsrepräsentationen mehr gefunden wurden, deutet darauf hin, dass die Patientinnen während der Therapie sehr belastende und verwirrende Erfahrungen zumindest gedanklich und sprachlich integrieren konnten.
    Da es bisher wenige Studien zu spezifischen Interventionstechniken und der Veränderung der Bindungsrepräsentation gibt, kann auch hier nicht weiter erläutert werden, welche spezifischen Techniken in der teilstationären Therapie wirksam waren. Die vorliegende Studie war auch nicht explizit als Interventionsstudie angelegt.
    Eine genauere Betrachtung der Auswertungsskalen des Adult Attachment Interviews zeigt, dass bei den Skalen für »erschlossene Kindheitserfahrungen mit den Bezugspersonen« lediglich bei der Skala für erfahrene Liebe die Werte ansteigen, was auch mit der zunehmenden Erinnerungsfähigkeit in Zusammenhang stehen könnte. Was sich während der Therapie verändert, ist die Bewertung der Bezugspersonen, hier erfolgen eine Deidealisierung und eine Mäßigung im Sinne von geringerem Ärger. Die Zunahme an Kohärenz und die Abnahme an sprachlichen Auffälligkeiten, die als Anzeichen für eine ungelöste Traumatisierung gewertet werden, sprechen dafür, dass während der Therapie eine sprachliche und gedankliche Integration der Bindungserfahrungen ermöglicht wurde und dass dies unabhängig von der spezifischen Essstörungsdiagnose geschah.
    Einschränkend muss jedoch berücksichtigt werden, dass nicht alle Patienten in diesem kurzen Zeitraum eine Veränderung zur einer sicheren Bindungsrepräsentationerfahren und eine Patientin von einer sicheren Bindungsrepräsentation (F5) zu einer unsicher-verwickelten (E1) wechselte, was sowohl als Messfehler (beide Kategorien liegen sehr nah beieinander und unterscheiden sich nur wenig) als auch als Destabilisierung durch den Therapieprozess erklärt werden kann.
    In beiden unsicheren Bindungsrepräsentationen, also sowohl in der unsicherdistanzierten als auch in der unsicher-verwickelten Bindungsrepräsentation, zeigt sich ein ähnlich hoher Anteil an Veränderung, so dass davon ausgegangen werden kann, dass das Therapiekonzept auf beide Formen der Bindungsrepräsentation gleich gut anspricht. Beide unsicheren Bindungsmuster gelten als schwer zu therapieren, da sie entweder durch das Misstrauen der jeweiligen Personen gegenüber Beziehungen oder durch ihre übersteigerten Erwartungen an die therapeutische Beziehung den Therapieprozess erschweren (vgl. Slade 1999; Dozier 1990).
Einschränkungen der vorliegenden Studie
    Die vorliegende Arbeit weist einige methodische Einschränkungen auf, die sich auf das Design der Studie beziehen.
    Neben dem relativ kleinen Stichprobenumfang stellt vor allem das Fehlen einer Kontrollstichprobe essgestörter Patientinnen eine erhebliche Einschränkung dar. Obwohl in verschiedenen Reliabilitätsprüfungen eine hohe Stabilität von über 85 % für die Einschätzung der Bindungsrepräsentationen über einen vergleichbaren Zeitraum von drei Monaten nachgewiesen wurde, ist nicht bekannt, ob bei essgestörten Patientinnen eine vergleichbare Stabilität vorliegt. Es gibt meines Wissens nach keine systematischen Untersuchungen zur Stabilität oder auch zur Veränderung von Bindungsrepräsentationen in klinischen Stichproben. Gut abgesichert ist bisher nur die Häufung unsicherer Bindungsrepräsentationen in klinischen Populationen. Auch wenn die Längsschnittstudien im Jugend- und Erwachsenenalter dafür sprechen, dass insgesamt von einer erstaunlichen Stabilität von inneren Arbeitsmodellen auszugehen ist, können die in der vorliegenden Arbeit berichteten Veränderungen nicht auf die Therapie als solche zurückgeführt werden, da für diesen Zeitraum keine vergleichbaren Daten für eine essgestörte Kontrollstichprobe vorliegen. Die Befunde über den Krankheitsverlauf bei Essstörungen legen allerdings nahe, dass eine Besserung ohne therapeutische Intervention nicht anzunehmen ist, gerade weil die für Essstörungen typische fehlende Krankheitseinsicht und auch die leider sehr hohen Rückfallzahlen und nur mäßigen Therapieerfolge auf eine eher rigide innerpsychische Organisation hindeuten. Diese Studie ist insofern vielversprechend, alssie zeigt, dass

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