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Bindung und Sucht

Bindung und Sucht

Titel: Bindung und Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Heinz Brisch
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Daten vorliegen und es keinen Zusammenhang zwischen einer ungelöst-traumatisierten Bindungsklassifikation und einem Therapieabbruch gab. Deutlich wird jedoch, dass das fehlende Vertrauen in Beziehungen, das sich insbesondere bei unsicher-distanzierten Bindungsrepräsentationen zeigt, das Risiko eines Therapieabbruchs erhöht, während eine sichere Bindungsrepräsentation die erfolgreiche Fortführung der Therapie begünstigt.
Veränderung der Bindungsrepräsentation
    Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen eine deutliche Veränderung der Bindungsrepräsentation vor und nach der 4-monatigen, teilstationären Therapie. Während von den 35 Patientinnen, die die Therapie vollendeten, vor der Therapie 68,6 % eine unsichere und 31,4 % eine sichere Bindungsrepräsentationaufwiesen, drehte sich nach der Therapie das Verhältnis von sicheren und unsicheren Bindungsrepräsentationen um, so dass 28,6 % unsichere und 71,4 % sichere Bindungsrepräsentationen gefunden wurden.
    Betrachtet man die Veränderung der genauen Bindungsklassifikation der Patientinnen, so zeigt sich, dass nur eine Patientin, die zu Beginn der Therapie als sicher klassifiziert worden war, nach der Therapie als unsicher-verwickelt eingestuft wird, die 10 anderen zu Beginn als sicher eingestuften weisen auch nach der Therapie eine sichere Bindungsrepräsentation auf. Von den 13 vor der Therapie als unsicher-distanziert klassifizierten Bindungsrepräsentationen werden nach der Therapie 8 als sicher eingestuft. Von den 11 vor der Therapie als unsicherverwickelt eingeteilten Interviews werden nach der Therapie 7 als sicher klassifiziert. Während der Therapie findet also eine deutliche Zunahme an Sicherheit in der Bindungsrepräsentation statt.
    Die theoretischen Annahmen über die Veränderbarkeit von inneren Arbeitsmodellen und ihren Ausdruck in der Bindungsrepräsentation stellen sich folgendermaßen dar: Main, Kaplan und Cassidy (1985) gehen ebenso wie Bowlby (2006 a, 1987) davon aus, dass die inneren Arbeitsmodelle von Bindung keine passiven Introjektionen von vergangenen Erfahrungen sind, sondern aktive Konstruktionen, die im Prinzip jederzeit neu strukturiert werden können, wobei eine solche Neustrukturierung schwierig ist, weil einmal organisierte Modelle dazu tendieren, auch unbewusst zu wirken und zunehmend stabil zu werden (Fremmer-Bombik 1995). In der Kindheit können ausgebildete Bindungsorganisationen wahrscheinlich nur durch neue konkrete Erfahrungen verändert werden. Ab dem Jugendalter und mit dem Erreichen der kognitiven Stufe der formalen Operation (Piaget 1972), können früher entstandene Modelle über bestimmte Bindungen bewusst verändert werden, weil das Individuum dann in der Lage ist, aus dem Bindungssystem gedanklich herauszutreten und seine Funktionsweise von außen zu betrachten (Fremmer-Bombik 1995). Obwohl innere Arbeitsmodelle von Bindung also eine starke Neigung zur Stabilität haben, werden sie nicht als festgelegte Eigenschaft betrachtet, sondern eher als strukturierte Prozesse, die dazu beitragen, Informationen zu begrenzen oder zu erhalten, Emotionen zu regulieren und damit auch Verhalten zu steuern (Fremmer-Bombik 1995, Bowlby 2006 a; Main et al. 1985). Innere Arbeitsmodelle von Bindung stellen somit ein Konzept der Organisation im Dienste einer möglichst günstigen Anpassung dar, indem sie zunächst das Verhalten gegenüber den Bindungspersonen organisieren und mit zunehmendem Alter die autonome individuelle Anpassung beeinflussen (Zimmermann 1999 a, 1999 b).
    Nach Bowlby (1988 a, c) können innere Arbeitsmodelle von Bindung in dertherapeutischen Intervention sowohl durch Reflexion und die Überprüfung ihrer aktuellen Gültigkeit als auch durch die neuen Erfahrungen in der therapeutischen Beziehung verändert werden. Bowlby sieht das Ziel des therapeutischen Vorgehens darin, Bedingungen zu schaffen, in denen der Patient seine inneren Arbeitsmodelle von sich und von seinen Bindungsfiguren hinterfragen kann und in der Lage ist, sie anhand der Einsichten, die er aus neuen Erfahrungen und der Beziehung zum Therapeuten gewonnen hat, neu zu bewerten und neu zu strukturieren (Bowlby 1988 a, S. 138).
    Das vorliegende Ergebnis einer deutlichen Veränderung der Bindungsrepräsentation während der 4-monatigen, teilstationären Therapie am TCE weist darauf hin, dass durch das gruppentherapeutische Vorgehen und die gemeinsame Reflexion über die bisherigen Erfahrungen mit der Herkunftsfamilie eine Neubewertung dieser

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