Bindung und Sucht
Emotionsregulationgibt. Eine unsichere Bindungsorganisation geht eher mit einer maladaptiven Emotionsregulation und fehlenden Bewältigungsstrategien einher, unabhängig davon, ob es sich um eine distanzierte oder verwickelte Repräsentation handelt.
Versteht man Essstörungen als Ausdruck beeinträchtigter Emotionsregulation und mangelhafter Copingstrategien und berücksichtigt man die Überschneidungen zwischen der Symptomatik der Diagnosegruppen Anorexie und Bulimie, so kann weder ein konzeptueller noch ein statistischer Zusammenhang zwischen einer spezifischen Essstörungsdiagnose und einer spezifischen Bindungsrepräsentation sinnvollerweise angenommen werden.
Bindungsrepräsentation und Therapieerfolg
Eine sichere Bindungsrepräsentation stellt einen Schutzfaktor dar, der in Richtung einer gelungenen Anpassung wirkt, bedeutet jedoch per se keine Garantie, dass man von Krankheit verschont bleibt. Im Sinne eines Diathese-Stress-Modells (vgl. Sroufe et al. 1992) kann es auch bei günstiger Disposition zu einer Fehlanpassung kommen, wenn die belastenden Faktoren überhandnehmen. Versteht man die Entwicklung einer Essstörung als das Ergebnis eines Zusammenwirkens vielfältiger Schutz- und Risikofaktoren oder als Ausdruck einer Entwicklungskrise, so stellt das Vorhandensein sicherer Bindungsrepräsentationen bei essgestörten Patienten keinen Widerspruch dar.
Aus entwicklungspsychopathologischer Sicht kann eine sichere Bindungsrepräsentation bei Krankheit in mehrfacher Hinsicht als Schutzfaktor wirken und damit die Überwindung der Krankheit erleichtern und die Heilungschancen erhöhen. Wie Spangler und Zimmermann (1999) aber auch Carlson und Sroufe (1995) anführen, geht mit einer sicheren Bindungsorganisation eine flexiblere Bewertung und eine höhere Kompetenz im Umgang mit belastenden Situationen und Krisen einher. Ein inneres Arbeitsmodell von sich selbst als »unterstützenswürdig« und von anderen als hilfsbereit sowie die Erfahrung, dass sich das Suchen von Hilfe als effektiv erwies und man Unterstützung erhalten hat, erleichtern die Inanspruchnahme therapeutischer Hilfe. Gleichzeitig erleichtern das erworbene Vertrauen in Beziehungen, die Fähigkeit, Gefühle offen zu kommunizieren, sowie die Fähigkeit zur Reflexion den therapeutischen Prozess.
Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen, dass die Patientinnen mit einer sicheren Bindungsrepräsentation zu Beginn der Therapie nicht weniger Essstörungssymptome berichten als die Patientinnen mit unsicherer Bindungsrepräsentation, jedoch am Ende der Therapie tendenziell weniger Symptome imEDI angeben als diejenigen mit unsicherer Bindungsrepräsentation. Die unabhängige Einschätzung des medizinischen Teams zeigt deutlich, dass die Patientinnen, deren Bindungsrepräsentation zu Beginn der Therapie als sicher eingestuft wurde, eine signifikant höhere Besserung aufweisen und entsprechend eine positivere Prognose für den weiteren Verlauf erhalten als die Patientinnen mit unsicher Bindungsrepräsentation.
Patientinnen mit sicherer Bindungsrepräsentation können das Therapieangebot besser nutzen und sind in ihrer Krankheitsüberwindung erfolgreicher. Im Gegensatz dazu geht eine unsichere Bindungsrepräsentation insofern auch mit einem geringen Therapieerfolg einher, als ein Therapieabbruch, der immerhin bei fast einem Viertel der Patienten stattfand, ausschließlich bei Patientinnen mit einer unsicheren Bindungsrepräsentation vorkam. Es gibt nur wenige empirische Studien, die sich mit dem Therapieabbruch allgemein und insbesondere mit Therapieabbrüchen bei essgestörten Patientinnen beschäftigen. Eine Ausnahme bilden die Arbeiten von Mahoon und Kollegen (Mahoon et al. 2001), die einen deutlichen Zusammenhang zwischen einer Häufung von bindungsbezogenen Risikofaktoren und einem Therapieabbruch berichten, allerdings in einem ambulanten Therapiesetting. Erfahrungen von Missbrauch und Misshandlung durch die Eltern sowie der Verlust eines Elternteiles durch Tod oder Scheidung und vor allem eine Häufung solcher Risiken standen mit einem Therapieabbruch bei bulimischen Patientinnen in direktem Zusammenhang. Die Autoren argumentieren dahingehend, dass Ereignisse in den Biographien der bulimischen Patientinnen, die die Entwicklung einer sicheren Bindung in der Kindheit verhinderten, später die Aufnahme einer therapeutischen Bindung erschweren.
Die vorgestellten Ergebnisse können diesen Zusammenhang nicht direkt bestätigen, da keine vergleichbaren
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