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Bindung und Sucht

Bindung und Sucht

Titel: Bindung und Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Heinz Brisch
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krankengymnastisch behandelten Säuglinge, die zudem signifikant weniger schrien und insgesamt als weniger schwierig als die Babys drogenabhängiger Mütter erlebt wurden. Diese waren insgesamt irritabler als die Kontrollgruppe, es gab viel mehr Probleme mit Schreien und Unruhe. Das Schlaf-Ess-Verhalten und der Tag-Nacht-Rhythmus waren in den Subgruppen nicht signifikant unterschiedlich. Die Gruppe der Babys drogenabhängiger Mütter in dieser Studie erschien als relativ gut versorgt, Strukturprobleme traten seltener auf, als wir bei der Klientel erwartet haben.
    Wie gelingt die Abstimmung der Interaktion zwischen Mutter und Kind?
    Zur Erfassung dieses Aspektes entschieden wir uns für eine videounterstützte Beziehungsdiagnostik in Form einer fünfminütigen Spielsituation. Die Auswertung der Videoaufzeichnung erfolgte nach zwei unterschiedlichen Methoden: der Münchener Kommunikationsdiagnostik (vgl. Papoušek 2000) und der deutschen Übersetzung der Mother-Infant-Playing Scale von Chatoor und Pal (Chatoor et al. 1997). Die Beurteilung der Videoaufzeichnungen anhand der vorgegebenen Kategorien wurde durch Schulungen eingeübt, fünf Spielsituationen wurden unabhängig – ohne gegenseitige Einflussnahme – von allen drei Untersuchenden geratet, dabei erreichten wir eine Interrater-Reliabilität von .80–.85.
    Es zeigte sich, dass die »intuitiven elterlichen Kompetenzen« (Papoušek) bei den drogenabhängigen Müttern signifikant schwächer zugänglich waren als in der Kontrollgruppe. Auch wurde bei dieser Klientengruppe viel häufiger ein»zudringlich-überregulierendes« und »alleinunterhaltend-überregulierendes« Verhalten sowie inadäquates, dysregulierendes Verhalten gegenüber den Babys beobachtet. Die »intuitiven elterlichen Kompetenzen« waren in unserer Stichprobe hoch negativ korreliert mit »Irritabilität und Schwierigkeiten in der Selbstregulation des Säuglings« (Spearman Rho: .427) und »Unglückliche Kindheit der Mutter« (Spearman Rho: .405). Auffällig, aber schwer zu kodieren waren immer wieder zu beobachtende und auch von den drogenabhängigen Müttern berichtete diachron widersprüchliche Verhaltensweisen: überregulierend-intrusiv vs. nicht-regulierend-apathisch/depressiv . Dies entspricht der Dynamik von Abstinenz und Drogeneinnahme: Unter Opiateinfluss sinkt das Interesse am Kind, abstinent wird es zur eigenen Spannungsregulierung und narzisstischen Bestätigung gebraucht, ein weiterer Hinweis auf die mütterliche Bedürftigkeit und Unreife in Bezug auf die Mutterrolle.
    Gibt es typische Interaktions- und Einstellungsmuster zwischen den drogenabhängigen Müttern und ihren Säuglingen?
    Die Untersuchung der Einstellungen der Mütter gegenüber ihrem Baby erfolgte mit unterschiedlichen Instrumenten: Das DIESB ist die von Dunitz-Scheer et al. (1997) ins Deutsche übersetzte Version des »Working Model of the Child Interview« von Zeanah und Barton (1989). Es erschließt – ähnlich wie das AAI (Adult Attachment Interview) – über die narrativen Beschreibungen, die die Mutter während des Interviews über ihre Kinder abgibt, die elterlichen Repräsentationen (Crittenden Mc Kinsey & Hartl Claussen 2000). Das halbstrukturierte Interview (Dauer ca. 45 – 60 Min.) erfasst neben inhaltlichen Aspekten zur Beziehung über eine strukturell-linguistische Analyse die Beziehungsqualität zum Kind. Die Ergebnisse belegen in einer Reihe von Dimensionen die deutlichen Unterschiede zwischen den Gruppen. Besonders wichtig ist die Variable Kohärenz = Freiheit von Widersprüchen und Ambivalenzen in der Schilderung . In der Bindungsforschung ist das Kriterium Kohärenz ein wichtiger Indikator für eine sichere gegenüber einer unsicheren Bindungsrepräsentation (Gloger-Tippelt 2001). Eine häufig geringe Ausprägung der Variable Detailreichtum in der Schilderung weist auf eine unsicher-abwehrende Bindungsrepräsentation bei den betroffenen Müttern hin (vgl. Fremmer-Bombik et al. 1992).
    Die drogenabhängigen Mütter machten sich viel mehr Sorgen um ihre Kinder, hatten weniger Freude an ihnen, zeigten sich weniger sensibel und involviert, schilderten aber wesentlich mehr Schuldgefühle als die Mütter der Kontrollgruppe. Die Beschäftigung mit der eigenen belasteten Lebenssituation, kombiniert mit erlebbar unsicheren Bindungsrepräsentationen, macht dieseHaltungen verständlich. Insgesamt zeigten sie mehr deaktivierende Bindungsstrategien, kombiniert mit Unsicherheit und Ängstlichkeit. In der

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