Bindung und Sucht
al. 2007). Die Babys drogenabhängiger Mütter waren – meist aufgrund des neonatalen Entzugssyndroms – signifikant häufiger und länger in postnataler stationärer Behandlung. Einige Mütter beklagten im diagnostischen Interview die Missachtung, die ihnen, als Verursacherinnen von Leid bei ihrem Säugling, bei Besuchen in der Kinderklinik seitens des Personals entgegenschlug, was sie in ihrem Selbstwertgefühl zusätzlich verunsicherte und einer entspannten Begegnung mit ihrem Kind entgegenstand. Zur Verbesserung der Mutter-Kind-Beziehung durch viel Körperkontakt – vermittelt durch eine vermehrte Oxytocin-Ausschüttung (Uvnäs-Moberg 2011) – wäre eine intensive Förderung dieser Begegnung notwendig.
Kontaktaufnahme zu Mutter und Kind
Eine klinische Studie im Fachbereich der Sozialen Arbeit will und kann keine Grundlagenforschung sein. Sie findet im Arbeitsfeld statt und muss den Bedingungen dieses Lebensraumes Rechnung tragen. Dazu gehört, dass Klientinnen und Klienten nur begrenzt zwischen Forschungs- und Realbeziehungen unterscheiden. Eine neutral-distanzierte Haltung ist damit nur sehr bedingt sinnvoll und möglich. Auch bei den, oder vielleicht gerade wegen der, vergleichsweise kurzen Kontakten während der Untersuchung finden Übertragungs- und Gegenübertragungsprozesse zwischen Mutter (und Kind) und Untersucherinnen und Untersuchern statt. Zum systemischen Erkenntnisprozess gehört ebenfalls, dass eine Trennung zwischen Beobachter und Beobachtetem fiktiv ist. Aus diesem Grund kommt es zwangsläufig immer wieder zu ko-regulierenden Interaktionssequenzen zwischen Mutter und Untersucherin bzw. Untersucher. Sie müssen wahrgenommen, dokumentiert und berücksichtigt werden. Dieser Prozess beginnt bereits mit der Kontaktaufnahme zu Mutter und Kind. Hierbei fanden wir in vielen Fällen die Hypothese von Daniel Stern bestätigt, dass die Mutter dazu neigt, zur Untersucherin bzw. zum Untersucher eine Übertragung herzustellen, die ihrer besonderen Situation entspricht. Der bereits vorgestellten Mutterschaftskonstellation entspricht eine spezifische Übertragung: die »Gute-Großmutter-Übertragung«. Sie äußert sich in dem Wunsch, »von einer mütterlichen Gestalt geachtet zu werden, Unterstützung und Beistand bei ihr zu finden, von ihr lernen zu können und von ihr anerkannt zu werden« (Stern 2006, S. 227). Wie alle Übertragungen so ist auch diese vor allem dann drängend und mit intensiver Dynamik versehen, wenn bei der übertragenden Person in dem betreffenden Bereich ungelöste Konflikte, traumatische Erfahrungen und ungestillte Sehnsüchte vorhanden sind. Dies kann man bei der Mehrheit der drogenabhängigen Mütter annehmen. Es entsprach dann auch unseren Erwartungen, dass diese Mütter uns als Untersucherinnen und Untersucher deutlich häufiger und intensiver als die Mütter der Vergleichsgruppe zu einem »Gute-Großmutter-Verhalten« verführen konnten, d. h. dazu, sie in ihrer Mutterrolle zu unterstützen, zu bestärken, anzuerkennen, ihnen praktische Tipps zum »Handling« des Baby zu geben usw.
Nach der Kontaktaufnahme mit Mutter und Kind führten wir in der Regel sogleich die Videobeobachtung durch. In dieser Phase war es für die Mütter leichter, aufgabenorientiert – und nicht so sehr auf die Person der Untersuchenden ausgerichtet – zu handeln.
Die Ergebnisse der einzelnen Fragestellungen
Wie bewältigt das Baby seine Entwicklungsaufgabe der Selbstregulation?
Zur Beantwortung dieser Fragestellung wurden die Basisdokumentation, das Anamnestische Interview, der Temperamentsfragebogen (ICQ Bates A), der Fragebogen »Schwierigkeiten im Alltag« und der von M. Papoušek verwendete »Selbstregulationstest« verwendet. Ziel der Untersuchung ist die Einschätzung der Selbstregulationsfähigkeit des Säuglings bei unterschiedlich stimulierenden Reizen. In dieser Untersuchung zeigten die Babys drogenabhängiger Mütter signifikant häufiger einen angespannt-unruhigen Zustand.
Sie wurden zum Untersuchungszeitpunkt auch von ihren Müttern als hochsignifikant schwieriger erlebt als die Babys der Kontrollgruppe. Die Mütter nannten dabei signifikant häufiger Symptome einer taktil-kinästhetischen Wahrnehmungsstörung, was darauf hinweist, dass der ganze Bereich der basalen Stimulation, der basalen Berührung bei diesen Kindern besonders gestört zu sein scheint. Dies gilt auch im Vergleich (allerdings nicht signifikant) zu der Teil-Kontrollgruppe der regulationsgestörten und
Weitere Kostenlose Bücher