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Bindung und Sucht

Bindung und Sucht

Titel: Bindung und Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Heinz Brisch
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vergleichsweise geringe Sozialkompetenz (Eiden et al. 2009), ein Zusammenhang, der anscheinend mit der Geschlechtszugehörigkeit variiert (Hussong et al. 2005). Kinder, und zumal Jungen, mit vergleichsweise geringer Sozialkompetenz lassen sich eher als andere auf Verhaltensweisen wie das Bullying ein, um ihren sozialen Status unter den Gleichaltrigen zu verbessern (Espelage et al. 2003).
    Auch eine Peer-Viktimisierung – also die Erfahrung, von Gleichaltrigen schikaniert und drangsaliert zu werden – erhöht das Risiko einer aktuellen oder späteren Fehlanpassung (Ladd & Kochenderfer-Ladd 2002; Überblicksarbeiten: Card & Hodges 2008; Juvonen & Graham 2001). Manche Alkoholikerkinder dürften in vergleichsweise größerer Gefahr sein, viktimisiert, also zum Opfer gemacht zu werden, weil sie nur geringe soziale Fertigkeiten besitzen, ein Manko, das auf ihre dürftige Erziehung durch die Eltern und auf ihre soziale Isolation zurückgeht, die wiederum dem Alkoholismus der Eltern geschuldet ist. Opfer von Peer-Aggressionen berichten häufig von einem Mehr an sozialen Ängsten, Depressionen und Einsamkeitsgefühlen (Cunningham 2007). Allerdings wissen wir wenig über den Zusammenhang zwischen dem Alkoholismus der Eltern und der von den Kindern im Umfeld der Gleichaltrigen aktiv betriebenen oder passiv erlittenen Aggression und auch wenig über Faktoren, die diesen Zusammenhang vermitteln oder beeinflussen könnten.
    Ein möglicher Vermittler oder Wirkfaktor in Bezug auf diesen Zusammenhang ist die Qualität der Elternbindung im Kleinkindalter. Die sichere Bindung an eine der Elternpersonen dient nicht nur als sichere Basis unter belastenden Bedingungen, sondern eröffnet, eben weil diese Elternperson emotional zugänglicher und eher zur Kommunikation bereit ist, auch Lernmöglichkeiten, die in den Peer-Kontext führen (Ainsworth & Bell 1970; Michiels et al. 2008). Unsicher gebundene Kinder lassen sich möglicherweise vermehrt auf das Belästigen und Quälen ihrer Altersgenossen ein, sei es infolge ihrer negativen inneren Arbeitsmodelle, die von Wut oder Misstrauen gekennzeichnet sind (Bretherton 1985), sei es aufgrund negativ verzerrter Wahrnehmungen (Dodge & Newman 1981). Unter Umständen werden sie auch eher von den Gleichaltrigen viktimisiert, und dies wegen ihrer dürftigen emotionalen Regulation oder ihrer ausgeprägteren Ängstlichkeit im Peer-Umfeld (Michiels et al. 2008). Die empirischen Ergebnisse einiger Studien besagen, dass Kinder mit unsicherer Mutterbindung eher dazu neigten, Gleichaltrige zu drangsalieren (Bullying), und ihrerseits in größerer Gefahr waren, von den Gleichaltrigen zum Opfer gemacht zu werden (Smith & Myron-Wilson 1998; Troy & Sroufe 1987). Bindungssicherheit kann folglich als Schutzfaktor gegenüber negativen Entwicklungen wie dem Bullying und der Viktimisierung dienen, vor allem unter Stressbedingungen oder angesichts negativer familiärer Erfahrungen (Dallaire & Weinraub 2007; van IJzendoorn 1997).
    Ein zweiter möglicher Faktor, der den Zusammenhang zwischen den Alkoholproblemen der Eltern und dem von den Kindern im Peer-Umfeld aktiv betriebenen oder passiv erlittenen Bullying-Verhalten beeinflusst, ist das Geschlecht.Söhne alkoholabhängiger Väter neigen eher dazu, aggressiv zu reagieren, und lassen den normativen Rückgang des aggressiven Verhaltens im Vorschul- oder frühen Schulalter vermissen (Edwards et al. 2006 b). Andere Studien kommen zu dem Schluss, dass die Töchter – nicht aber die Söhne – alkoholabhängiger Väter in den ersten Schuljahren eine geringere Sozialkompetenz besitzen (Hussong et al. 2005). Die bindungstheoretische Literatur verweist auch auf gewisse Anzeichen weiterer Auswirkungen im interaktiven Bereich, Anzeichen etwa dafür, dass unsicher gebundene Jungen – nicht aber Mädchen – zu externalisierenden Verhaltensweisen und damit zu aggressivem Verhalten im Peer-Umfeld neigen könnten (Lewis et al. 1984; McCartney et al. 2004). Wieder andere Studien besagen, dass unsicher gebundene Mädchen ein vergleichsweise höheres Maß an externalisierendem Verhalten zeigen und sich eher als andere auf das Bullying einlassen könnten (Munson et al. 2001).
    Gestützt auf diese Literatur, stellten wir die These auf, dass Kinder von Alkoholikern wahrscheinlich eher als andere ein Bullying-Verhalten zeigen, also ihre Peers schikanieren und drangsalieren, und ihrerseits häufiger viktimisiert werden. Die Bindungsqualität, so unsere Erwartung, dürfte den

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