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Bindung und Sucht

Bindung und Sucht

Titel: Bindung und Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Heinz Brisch
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Bindungssicherheit zwischen Mutter und Kind fungierten als »between-subjects-Faktoren«. Das internalisierende Verhalten nahm mit steigendem Alter der Kinder zu und war sowohl bei den Alkoholikerkindern als auch bei den Kindern mit unsicherer Mutterbindung stärker ausgeprägt. Ein krasser Anstieg dieses Verhaltens zeigte sich bei den dann 36 Monate alten Alkoholikerkindern mit unsicherer früher Mutterbindung. Die Mütter der frühzeitig unsicher gebundenen Kinder berichteten von einem signifikant höheren Maß an Internalisierungsproblemen ihrer 36 Monate alten Kinder, im Gegensatz zu den Müttern in den drei anderen Gruppen (in denen die Punktwerte nicht signifikant voneinander abwichen). Das spricht für die Schutzwirkung einer sicheren Mutterbindung bei den 12 Monate alten Alkoholikerkindern in Bezug auf Internalisierungsprobleme, wie sie sich dann im Alter von 36 Monaten zeigen.
    Für die von den Müttern genannten Externalisierungsprobleme erbrachten die Ergebnisse der Varianzanalyse mit Messwiederholung einen signifikanten Effekt des Zusammenspiels von Alter, Gruppenzugehörigkeit und Mutter-Kind-Bindung. Die Untersuchungen einfacher Effekte zeigten für die 18 Monate alten unsicher gebundenen Kinder alkoholkranker Väter, verglichen mit den gleichaltrigen sicher gebundenen Kindern aus Nichtalkoholikerfamilien, signifikant höhere Werte des externalisierenden Verhaltens und für die dann 24 und schließlich 36 Monate alten unsicher gebundenen Alkoholikerkinder, verglichen mit allen anderen Gruppen, ebenfalls signifikant höhere Werte des externalisierenden Verhaltens. Entsprechend unserer Hypothese schien die sichere frühe Mutterbindung von Alkoholikerkindern als Schutzfaktor gegenüber der Entstehung externalisierender Verhaltensprobleme zu dienen: Alkoholikerkinder mit einer sicheren Mutterbindung zeigten signifikant niedrigere Werte des externalisierenden Verhaltens als ihre »Kollegen« mit unsicherer Mutterbindung. Zwischen Kindern mit sicherer Mutterbindung und Kindern gesunder Väter zeigten sich, unabhängig von ihrer Bindungssicherheit, keine signifikanten Unterschiede.
    Andere Studien mit Risikofamilien haben in der sicheren Mutterbindung des kleinen Kindes ebenfalls einen Schutzfaktor identifiziert (Morisset et al. 1990; Rutter 1987), wobei allerdings der Mechanismus, mittels dessen die sichere Mutterbindung eine entsprechende Resilienz ermöglicht, nicht bekannt ist. Der Zusammenhang zwischen Bindungssicherheit und Verhaltensqualität könnte, so die Annahme, auf dem Weg über die aufkommende Selbstregulation des Kindes zustande kommen. Bei sehr kleinen Kindern sind Verhaltensprobleme in der Regel die Folge einer noch unzulänglichen Selbstkontrolle (Campbell 2002). Die Selbstregulation ist eine im Kleinkindalter im Entstehen begriffene Funktion sowohl kindlicher als auch elterlicher Einflüsse, wie sie im Kontext der Mutter-Kind-Beziehung ins Spiel kommen. In sicheren Bindungsbeziehungen, so die Theorie, werden negative Emotionen durch die unterstützende Führung und Fürsorge der Bezugspersonen abgeschwächt und in Zaum gehalten, so dass sie das Kind nicht überwältigen (Thompson 1997). Anhand dieses Vorbildes lernen Kinder allmählich, ihre Emotionen zu regulieren. Kinder unzugänglicher (nicht responsiver) oder inkonsequenter Eltern könnten dagegen lernen, ihre Emotionen zu wenig oder zu stark zu regulieren, was später zu Internalisierungs- und Externalisierungsproblemen führen kann (Sroufe 1988). Davies & Cummings (1994) sind darüber hinaus der Ansicht, dass Kinder in einem emotional sicheren familiären Umfeld vergleichsweise weniger Angst und Frustration erleben und damit weniger anfällig für dysfunktionales Verhalten sind. Die Responsivität der Mutter und der positive wechselseitige Affekt zwischen Mutter und Kind – Qualitäten,die mit einer sicheren Bindungsbeziehung einhergehen – stehen erwiesenermaßen auch im Zusammenhang mit einem Mehr an Empathie und »Compliance« im Kleinkindalter (Kochanska et al. 1999) und mit der Gewissensbildung in den frühen Schuljahren (Kochanska & Murray 2000). Das heißt also: Von den kleinen Kindern alkoholkranker Väter dürften diejenigen mit sicherer Mutterbindung besser zur Verhaltensregulation befähigt sein. Damit haben sie ein geringeres Risiko, fehlangepasste Verhaltensmuster zu entwickeln.
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