Bindung und Sucht
Zusammenhang zwischen dem Alkoholismus einer der Elternpersonen und dem Bullying-Verhalten bzw. den Viktimisierungserfahrungen vermitteln oder beeinflussen. Wir rechneten damit, dass das Alkoholproblem auf Seiten der Eltern auf eine eher unsichere Mutterbindung des Kleinkindes vorausweisen würde, in der wir wiederum einen signifikanten Prädiktor der späteren Phänomene von Bullying und Viktimisierung vermuteten. Mit anderen Worten, wir sahen in der Qualität der Mutterbindung des Kleinkindes einen Pfad, über den sich der Zusammenhang zwischen dem Alkoholproblem einerseits und den späteren Phänomenen von Bullying bzw. Viktimisierung erklären könnte. Eine sichere Bindung an die Mutter (die in den meisten Familien die primäre Bezugsperson und in den meisten »unserer« Familien die nichttrinkende Elternperson ist) könnte (so unsere Erwartung) auch eine Schutzwirkung haben, so dass Kinder, die im Kleinkindalter sicher an ihre Mutter gebunden waren, unter Risikobedingungen wie der Alkoholabhängigkeit des Vaters dennoch positive innere Arbeitsmodelle ihrer selbst und der Bezugsperson besitzen und damit vergleichsweise weniger Bullying-Verhalten zeigen und weniger Viktimisierung erfahren werden. Ferner könnte der Zusammenhang zwischen dem Alkoholismus des Vaters und dem Bullying-Verhalten und der Peer-Viktimisierung auch dem Einfluss der Geschlechtszugehörigkeit des Kindes unterliegen: Söhne von trinkenden Vätern könnten sich eher auf das Peer-Bullying, also das Schikanieren und Drangsalieren von Gleichaltrigen, verlegen. Was den möglichen Einfluss der Geschlechtszugehörigkeit desKindes auf das Phänomen der Peer-Viktimisierung anging, so hatten wir keine spezifische Hypothese, führten aber Analysen durch, um diese Frage zu untersuchen.
Untersuchungsverfahren und Ergebnisse der Längsschnittstudie
Zur Messung der Peer-Aggressionen anhand von Selbstberichten der Kinder zogen wir den Revised Bully-Victim Questionnaire (Olweus 1994) heran, ein weithin angewandtes Instrument zur Erfassung aktiv betriebener bzw. passiv erlittener Aggressivität im Peer-Umfeld. Den Kindern wurde eine Definition von Bullying und Viktimisierung an die Hand gegeben und sie wurden aufgefordert, über Häufigkeit und Schweregrad der eigenen Täter- und Opfererfahrungen in den zurückliegenden zwei Monaten zu berichten. Bullying-Verhalten und Viktimisierungserfahrungen (jeweils 9 Items) wurden auf fünfstufigen Skalen erfasst, die von 0 (nicht vorgekommen) bis 4 (mehrmals pro Woche) reichten. Die Summe der beiden Sets von Items (Tätererfahrungen und Opfererfahrungen) diente als Maß für Bullying und Viktimisierung.
Alle Hypothesen wurden anhand von Strukturgleichungsmodellen (SEM) überprüft. Die SEM-Analysen wurden mit dem Programm Mplus (Version 4.0, Beiträge hierzu von B. & L. Muthén, 1998 – 2006; vgl. www.statmodel.com ) durchgeführt. Die Maximum-Likelihood-Methode – ein parametrisches Schätzverfahren – bei voller Information erbrachte standardisierte Parameterschätzungen. Um den moderierenden Einfluss des Geschlechts bzw. von Geschlecht und Bindungssicherheit zu überprüfen, wurden multiple Gruppenanalysen durchgeführt. Diese Modelle wurden durch den Vergleich unrestringierter mit restringierten Modellen geprüft. Der Chi-Quadrat-Test (zur Überprüfung von Häufigkeitsverteilungen) diente als Omnibus-Test zur Suche nach Unterschieden zwischen den Gruppen. Da der Chi-Quadrat-Wert signifikant war, überprüften wir die Modifikations-Indizes, um Gruppenunterschiede in den Pfadkoeffizienten zu lokalisieren.
Die Bullying- und Viktimisierungs-Skalen wurden für die Stichprobe als Ganzes bei r = .31, p ≤ .001 korreliert. Die Korrelation zwischen Bullying und Viktimisierung war bei den Kindern nichttrinkender Eltern signifikant höher (r = .52) als bei den Kindern alkoholabhängiger Eltern (r = .23), z = 2.07, p ≤ .05.
Zunächst überprüften wir die Anpassungsgüte des konzeptuellen Modells insgesamt, und zwar mit den Symptomen von Alkoholabusus/Alkoholabhängigkeit von Mutter/Vater der 12 Monate alten Kinder als Prädiktoren, mit der Sicherheit der Mutterbindung der 18 Monate alten Kleinkinder als intervenierenderVariable und mit den Mittelwerten für Bullying und Peer-Viktimisierung Ergebnisvariablen. Das Modell schloss Pfade von den beiden Prädiktoren zum Mediator, also der intervenierenden Variable, und Pfade vom Mediator zu den beiden Ergebnisvariablen ein. Es schloss zudem eine Kovarianz zwischen den
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