Biohacking - Gentechnik aus der Garage
gleißende Neonlicht blinzelnd.
Der Mann von der gläsernen Werkbank ist schnell fertig mit seiner Arbeit und hat ein paar Minuten, um ein selbst gedrehtes Video zu zeigen. Zu sehen sind er und John, der ihm eine Nadel in die Armbeuge sticht und dabei in die Kamera erzählt, dass die Amateurforscher in ihrem eigenen Blut nach Abwehrzellen gegen Krebs suchen werden. Unwillkürlich verschränken wir die Arme vor der Brust.
John nennt das Labor in der Wohnsiedlung eine „Übergangslösung“ und erzählt, dass sie bereits auf der Suche nach offiziellen Räumlichkeiten seien. Sie werden viel Platz brauchen, denken wir, denn die Maschinen in der Garage sind nur ein kleiner Teil dessen, was seine Gruppe in kaum einem Jahr zusammengesammelt hat. Das halbe Wohnhaus, zu dem das improvisierte Labor gehört, ähnelt einem Gerätelager: Regale, Zentrifugen, Bürotische, Kühlaggregateund Schüttelmaschinen stapeln sich hier. Dazu kommt ein Laborroboter, der das Pipettieren von kleinen Flüssigkeitsmengen weitaus präziser beherrscht als eine menschliche Hand und außerdem um ein Vielfaches schneller ist. Das alles sieht nicht nach Hobbyforschung aus, sondern nach einem großen Plan. Und in den Geruch von staubigen Büromöbeln und Desinfektionsmitteln mischt sich fadenfein eine Ahnung von Größenwahn. Was genau John, Eri und ihre Freunde hier vorhaben, erfahren wir an diesem Abend nicht. Nur, dass sie Abwehrzellen aus dem Blut für Attacken auf Krebszellen programmieren wollen. Und dass sie ihre Idee für so bahnbrechend halten, dass sie keine Details verraten wollen. Biotech-Konzerne könnten sie sonst aufgreifen und den Garagen-Forschern zuvorkommen.
Schloendorn ist alles andere als ein DIY-Biologe, auch wenn er mit der Szene sympathisiert: „Ich habe großen Respekt vor Leuten, die tun, was getan werden muss, um eine lebensrettende Technologie zum Laufen zu bringen“, sagt er. Wenn man das nicht in einem offiziellen Labor machen könne, „dann halt in einer Garage, wo man ja eigentlich sogar mehr Möglichkeiten hat.“ Eine akademische Ausbildung braucht man seiner Meinung nach als Allerletztes, um erfolgreich zu sein. Es bedürfe lediglich harter Arbeit und mitunter persönlicher Opfer.
Der gebürtige Deutsche hatte gerade ein Biochemie-Diplom von der Universität Tübingen in der Tasche, als er Aubrey de Grey begegnete. De Grey, von der Ausbildung her Informatiker, ist ein schlaksiger Mann mit langem Bart und Pferdeschwanz, und er ist eine Art Anti-Aging-Guru, allerdings nicht von der kosmetischen Schiene. Altern ist für ihn einfach ein Design-Fehler, eine Krankheit, und zwar eine, die heilbar ist. Der Körper verfällt laut de Grey, weil sich mit der Zeit mehr und mehr Schäden in den Zellen ansammeln, die von den biologischen Reparaturtrupps nicht mehr behoben werden. Er nennt das eine „Nebenwirkung des Stoffwechsels“, die zusammen mit noch ein paar anderen lästigen Störungen und giftigen Müllhalden inner- und außerhalb der Zellen letztlich zum Tode führen. Wenn man dem Körper beim Aufräumen helfen würde, so seine Hypothese, dann könnte man das Altern nicht nur aufhalten, sondern sogar umkehren. 1000 Jahre Leben seien dann kein Problem, sagt der Meister,und dass wir heute schon über das notwendige Wissen verfügen, um entsprechende Therapieverfahren entwickeln zu können.
De Greys Thesen wirkten wie ein Wegweiser für Schloendorn. Zunächst versuchte er, sich innerhalb der traditionellen Strukturen von Universität, Doktorarbeit und gelegentlicher Fachpublikation wissenschaftlich mit ihnen zu beschäftigen. Er ging nach Amerika und machte sich im Labor des Umweltingenieurs Bruce Rittmann an der Arizona State University an seine Doktorarbeit. Rittmann beschäftigt sich allerdings nicht mit dem Altern – und nur am Rande mit dem menschlichen Körper. Wasserverschmutzung, Bio-Energie und Ähnliches sind eher die Themen seiner Arbeitsgruppe. Als Schloendorn zu ihm kam, interessierte Rittmann unter anderem die Frage, wie man Bakterien nutzen könnte, um Umweltverschmutzungen zu beseitigen.
Schloendorn sah aufgrund von de Greys Lehre in Ablagerungen im Körper die Ursache des Alterns und wollte versuchen, mit Bakterien auch diese Müllhalden abzubauen. Rittmann hätte ihn unter normalen Umständen diesen einigermaßen verwegenen Ansatz wahrscheinlich kaum ausprobieren lassen. Doch Schloendorn war mit Geldern der SENS-Stiftung 3 ausgestattet. De Grey selbst hat diese Organisation 2009 gegründet. Er
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