Biohacking - Gentechnik aus der Garage
die eigene Küche.
Beide sind weder Arzt noch Krankenschwester. Aber über YouTube-Videos und unter Schmerzen und mit malträtierter Ellenbeuge als Begleiterscheinung haben sie gelernt, wie man Menschen Blut abnimmt. Die für die Versuche notwendigen Krebszellen habe er von einem Wissenschaftler von einer Universität bekommen, der ihr Projekt unterstützen wollte, sagt Schloendorn. Weitere Details verrät er nicht, denn es war ein Deal, der eher an der Grenze der Legalität abgelaufen ist. Solche Zelllinien bekommt man jedenfalls nicht einfach so auf Nachfrage, die meisten von ihnen sind durch Patente oder andere Verwertungs- oder Persönlichkeitsrechte geschützt.
Eri kam auf die Idee, wie man eine Transportbox aus Plastik mit einem Feinstoff-Filter in eine semisterile Werkbank umfunktionieren könnte. In diesem Provisorium ließen sie ihre eigenen Abwehrzellen auf die Krebszellen los. Weil menschliche Zellen an normaler Luft nicht wachsen, sondern nur bei deutlich höheren Kohlendioxidkonzentrationen, legten sie ihre Proben in Plastiktüten, in denen sie zuvor etwas Trockeneis – gefrorenes CO 2 – aufgelöst hatten. Was dann in ihren Testschälchen geschah, beobachteten sie durch eine zum Mikroskop umgebaute Webcam.
In Schloendorns Proben passierte nichts, Gentrys Blutzellen hingegen attackierten den Krebs und zerstörten die Zellen. Mit diesem Befund warben sie bei einem Sponsor immerhin so viel Geld ein, dass sie sich mehr Ausrüstung kaufen konnten und mit ihrem Labor von der Arbeitsplatte in der Küche in die Garage des Einfamilienhauses umziehen konnten, nur ein paar Minuten entfernt von Googles Hauptquartier.
Doch Livly sollte nicht ewig leben. Das Unternehmen hatte mit Spendengeldern arbeiten sollen, bekam aber nach ersten kleinen Finanzierungserfolgen nicht mehr genug zusammen. Außerdem habe es einen Patentstreit mit einer Universität gegeben, erzählt Gentry.
Nur Monate, nachdem John uns am späten Abend in seiner Garage empfangen hatte, haben er und Eri die Firma aufgelöst und das Haus geräumt.
„Das alles hat uns gezeigt, dass die Welt noch nicht bereit ist für solche Ideen“, sagt Gentry rückblickend. Doch statt in Depressionen zu verfallen und das System zu verfluchen, versuchten sie einfach etwas Neues: Gentry und Schloendorn wandelten die Überbleibsel ihres Untergrundlabors in einen Hackerspace namens Biocurious – mit Gentry als Sprachrohr und Geldsammlerin – und ein neues Unternehmen namens Immune Path – mit Schloendorn als Chef – um.
Mit frischem Kapital von den Konten des deutschstämmigen Silicon-Valley-Starinvestors Peter Thiel, der auch Facebook-Gründer Mark Zuckerberg einst mit Durchhaltegeld versorgte, wollte Schloendorn den Weg der Zell-Therapie weiter verfolgen. Doch der große Durchbruch blieb weiterhin aus, und auch die finanziellen Ressourcen versiegten bald. Zwar hätten er und sein Team „herausgefunden, wie man embryonale Stammzellen in weiße Blutkörperchen verwandelt“, berichtet Schloendorn zwei Jahre später. Damit sei er in der Lage gewesen, Mäuse vor einer der Folgen einer Infektion zu bewahren, die in unbehandelten Tieren tödlich verlief.
Trotzdem konnte er keine Anschlussfinanzierung finden und ist im Sommer 2012 wieder einmal umgezogen – von einem Industriekomplex in eine Garage. Noch immer träumt er von einer Zell-Therapie gegen das Altern. „Ich finde die Idee, alte, funktionsuntüchtige Zellen durch junge, gesunde zu ersetzen, noch immer überzeugend“, sagt er – besonders weil man mit diesem Ansatz nicht einmal genau erforschen müsse, wie die Krankheiten im Detail entstehen und ablaufen, um sie heilen zu können: „Man muss nicht verstehen, wie ein Pferd funktioniert, um es dorthin laufen zu lassen, wo man hin möchte“, zitiert er den von ihm noch immer verehrten Aubrey de Grey.
Bislang sind ihm die Pferde meist durchgegangen, egal auf welches er in diesen wenigen Jahren setzte – Mikroben-Müllabfuhr, Immun-Krebsbekämpfung, Infektionsbekämpfung. Ans Aufgeben oder gar an eine Rückkehr nach Deutschland denkt er aber noch lange nicht. „Die Kultur dort ist nicht unbedingt freundlich für Menschen mit meinem Beruf“, so Schloendorn. An der heimatlichen Uni in Baden-Württemberg nannten ihn einige seiner Kommilitonen einen „Babymörder“, wenn er nur über Stammzellen sprach. Er liebt die Freiheit, die er in Amerika empfindet.
Schloendorn will weitermachen, jetzt eben wieder in einer Garage. Ein Projekt auch einmal
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