Biohacking - Gentechnik aus der Garage
von den Millionen mit bloßem Auge gar nicht sichtbaren Galaxien gemacht haben, und ordnen sie in Kategorien ein. Es ist eine Aufgabe, die ein Computerprogramm eigentlich viel schneller erledigen können sollte, was aber bislang nicht ansatzweise funktioniert. Das menschliche Auge und Gehirn sind hier bis auf weiteres noch konkurrenzlos. Vor allem aber hätte ein Computer – und manche sagen: auch ein Berufsastronom – den seltsamen unscharfen Wisch vor dem sehr eindeutig als Spiralgalaxie erkennbaren System auf Foto IC 2497, der jetzt Hannys Namen trägt, wohl schlicht weggerechnet oder als Artefakt ignoriert.
Hanny ist das beste Beispiel dafür, dass man als Normalbürger oder -bürgerin durchaus nebenher auch Wissenschaftler sein kann. Zwar wird der Beitrag, den Bürgerforscher leisten, oft noch als mit echter Wissenschaft nicht vergleichbar abgetan. So sagte etwa David Weinberger vom Berkman Center for the Internet and Society an der Harvard University der New York Times einmal, „diese Leute“ seien nichts anderes als „wissenschaftliche Instrumente“. 14 Das klingt nach Ausbeutung des gutwilligen Bürgers durch das wissenschaftliche Establishment, welches sich lediglich clever der modernen Kommunikationsmittel bedient, um die Arbeitskraft der Massen und ihrer PCs anzuzapfen. Tatsächlich ist die Situation schon etwas komplexer(und gegenseitiger) – nicht nur, weil ja niemand gezwungen wird, sich als Messinstrument zur Verfügung zu stellen.
Die Vorstellung vom Bürger und seinem Computer als billiger, einfach verfügbarer und keiner besonderen kognitiven oder sonstigen menschlichen Fähigkeiten bedürfender Ressource hat sich vor allem aufgrund des Riesenerfolges von Seti@Home verbreitet. Bei diesem Projekt geht es tatsächlich lediglich darum, dass jeder, der mitmacht, seinen Rechner mit dessen freien Kapazitäten rechnen lässt. Ein Server verschickt Datenpakete von Radioteleskopen auf die Computer von Privatpersonen, und die durchkämmen die Signale aus den unendlichen Weiten auf solche, die vielleicht von intelligenten Lebewesen verschickt worden sein könnten. (Gefunden hat man bislang nichts, doch auch das ist ja ein wissenschaftliches Ergebnis.) Folding@Home nennt sich ein ähnlicher Ansatz, bei dem heimische Macs und PCs Varianten der möglichen 3D-Strukturen von Proteinen durchrechnen, solange ihr Besitzer die Maschine gerade nicht für seine eigenen Zwecke benötigt. Für diese Art des Mitmachens braucht der Bürger tatsächlich nur einen Computer und einen Internetanschluss. Als Gegenleistung bekommt er einen hübschen Bildschirmschoner – zusätzlich zum guten Gefühl, einem Wissenschaftszweig, für den er sich interessiert, vielleicht ein wenig zu helfen und Teil von etwas „Größerem“ zu sein.
Ein wissenschaftliches Instrument, das einigermaßen sicher erkennt, wann am Waldrand die erste Brombeerblüte aufgeht, oder das zuverlässig ferne Milchstraßensysteme kategorisieren kann, oder eines, das auf solchen Astrofotos ganz und gar unerwartete Objekte als etwas Besonderes erkennt, gibt es bislang nicht. In Projekten wie „Galaxy Zoo“ sind die Teilnehmer also zumindest vergleichsweise sehr, sehr intelligente „Instrumente“ und werden als solche sehr geschätzt. „Freiwillige setzen eine Menge Zeit und Energie ein, aber sie werden dafür belohnt“, sagt Hanny van Arkel, „die Wissenschaftler zeigen ihre Anerkennung, indem sie die Freiwilligen erwähnen und die Resultate mit ihnen teilen, sie beantworten Fragen in Foren und Blogs und über Twitter, und auf jeder offiziellen Veröffentlichung ist ein Link zu einer Seite mit den Namen all der Freiwilligen.“ Und Online-Bürgersternwärter können auch, ohne gleich ein Astronomiestudium draufsetzen zu müssen, zu kleinen Experten werden.Hanny etwa hält inzwischen Vorträge über Astronomie, wird als Gaswolken-Expertin zitiert und sitzt auf Podien, sie gilt in ihrer Heimat als eine Botschafterin der Bürgerwissenschaft. Und die Profi-Astronomen am anderen Ende der Datenleitung? Sie freuen sich nicht nur über die nützliche Mitarbeit. Die Art und Weise etwa, wie sie in Foren mit Leuten wie Hanny über spezielle Beobachtungen, aber auch ganz allgemein über ihre Wissenschaft diskutieren, lässt vermuten, dass sie auch jenseits der zählbaren Resultate froh sind über diese Art Kontakt zu ganz normalen Erdenbewohnern. Schließlich waren sie mal selber welche.
Genau hier liegt wahrscheinlich ein kaum zu beziffernder Wert solcher
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