Biohacking - Gentechnik aus der Garage
alle untereinander“, sagt etwa Hodak, „aber wenn in vielleicht 10 oder 15 Jahren Teenager mit DIY-Biologie aufwachsen, was bedeutet das für die Sicherheit?“ Doch auch eine enge Regulation jeglicher Privat-Experimente würde dann eine mögliche Gefahr nicht bannen, ähnlich wie der Paragraph 242 des deutschen Strafgesetzbuches Diebstahl nicht verhindern kann, oder das sechste Gebot Mord, Totschlag und Kriegstote.
Der Gedanke, dass Amateure ihr Rezept irgendwann einmal „nachkochen“ könnten, ist Fouchier und seinen Kollegen bei ihrer Arbeit wahrscheinlich nicht gekommen. Und wahrscheinlich hätten sie ihre Versuche selbst dann durchgezogen, wenn sie das Ergebnis vorausgeahnt hätten. Schließlich war ihr Plan ja auch nicht gewesen, ein Killervirus zu erschaffen. Sie wollten verstehen, was Viren gefährlich macht – um gewappnet zu sein, falls irgendwann wieder eine Pandemie um die Welt zieht. Forschungsfreiheit und eine durchaus hehre Absicht haben sie zu ihrem Experiment und zu ihren Ergebnissen geführt – zu Wissen, das auf unterschiedliche Weise genutzt werden kann, Dual Use. Langfristig ist es keine Lösung, solches Wissen zurückzuhalten. Denn es kann nicht zurückgehalten werden, es sei denn, man ist bereit, große Teile dessen, was wir Freiheit nennen, zu opfern.
Es gibt keine einfache Lösung des Problems. Sicher sollten einzelne Forscher und ihre Gruppen sich immer überlegen, was für Folgen ihre Experimente haben können – welches Wissen dabei herausspringen könnte. Wenn sie sich dann aber gegen einen bestimmten Versuch entscheiden, bedeutet das nicht, dass jemand anderes, der vielleicht dieselbe Idee, aber weniger gute Absichten hat, sich genauso verhalten wird. Auf ein Experiment zu verzichten, kann schlicht die Folge haben, dass andere, vielleicht sogar terroristisch inspirierte „Forscher“ einen vermeidbaren Vorsprung bekommen.
All das ist, bezogen auf DIY-Biologie, bislang bloße Theorie. Irgendwann wird sich das ändern.
Zu versuchen, Wissen und Technologien einer Gruppe von Menschen, bei der noch nicht einmal klar ist, wie man sie definieren und eingrenzen soll, vorzuenthalten, kann aber sicher nicht die Lösung sein. Dafür muss man sich nur einmal vorstellen, wie unsere Welt heute aussehen würde, hätten Parlamente und Behörden Anfang der 70er Jahre beschlossen, dass elektronische Bauteile nur noch von in Behörden oder speziell akkreditierten Zweigen der Industrie arbeitenden Menschen gekauft und benutzt werden dürfen.
Freie Gesellschaften werden die Möglichkeit, dass auch bei Biotech und Biotech-Wissen die Gefahr des Dual Use besteht, aushalten müssen. Sie können darauf setzen, dass die überwältigende Mehrheit ihrer Bürger wohl auch in Zukunft kein Interesse an Terror und Massenvernichtung haben wird. Sie können, wenn sich Biotech von Eliteforschung und -business zu einer demokratisierten, dezentral demokratisch genutzten Technologie entwickelt, vor allem aber auf eines setzen: darauf, dass aus dieser Mehrheit auch die intellektuellen und praktischen Impulse kommen werden, die möglichen Gefahren kreativ zu kontern.
Was mit einem schlichten Einkaufszettel begann, endet mit solchen Gedanken über Biosicherheit, Dual Use und die Verantwortung der aktiven Bio-Bürger der Zukunft.
Unsere konkrete Shopping-Bilanz aber sieht folgendermaßen aus: Beim Einkaufen der Materialien, die wir zum Betrieb unseres Labors in einer Büroecke in Berlin benötigen, wären wir zwei Mal fast gescheitert. Aber wir hatten Glück, wir haben bekommen, was wir brauchten. Wir wurden von Vertriebsmitarbeitern per Google durchleuchtet, wir mussten Erklärungen abgeben. Als Sascha einmal ein Enzym bei einer Firma bestellen musste, die uns noch nicht in der Kartei hatte, waren sogar zwei Telefonate notwendig, um darzulegen, warum die Lieferadresse ein Gemeinschaftsbüro in der Berliner Innenstadt ist. Teilweise haben wir in solchen Fällen, wenn konkret nachgefragt wurde, auch erwähnt, dass wir Journalisten sind (und vor langer Zeit auch einmal Biologie studiert haben), und unsere Absichten erklärt. Das wird uns hie und da geholfen haben und damit auch die Vergleichbarkeit mit den Beschaffungs-Anstrengungen anderer Biohacker schmälern. Es war aber alternativlos, siehe Punkt eins unserer Einkaufs-Grundsätze, denn auf nur partielle Ehrlichkeit wollten wir uns nicht einlassen. Die meisten Möchtegern-Biohacker werden sich in Deutschland jedenfalls sicher schwertun, immer alles Nötige zu
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