Biohacking - Gentechnik aus der Garage
der Baustein Nummer 1747 des Gens. Dieser ist normalerweise ein C, ein Cytosin. In der mutierten Form steht stattdessen dort ein T, ein Thymin. Dadurch wird die genetische Information in ein verkürztes, funktionsloses Actinin-Protein übersetzt. Man kann mit dieser Mutation ohne Probleme leben, sogar in der Schule eine Eins im Hundertmeterlauf bekommen. Mit ihr Sprint-Olympiasieger zu werden dürfte allerdings schwierig sein. Nach dieser Veränderung wollen wir jedenfalls suchen. Sascha müsste das unmutierte Gen tragen, sein Laufpartner das mutierte, so zumindest die Hypothese.
Für eine erfolgreiche Suche nach der Mutation sind ein paar Methoden und Zutaten notwendig, die wir bislang noch nicht verwendet haben. So gibt es etwa Enzyme, die das Erbgut an exakt festgelegten Stellen zerschneiden können. Diese im Fachdeutsch Restriktionsenzyme genannten Moleküle suchen nach einer spezifischen Bausteinabfolge auf dem Erbgutstrang, heften sich dort an – und schneiden ihn genau dort entzwei. Eine molekulare Schere dieses Typs hört auf den Namen Dde1 und schneidet exakt dort, wo in dem Läufer-Gen die Mutation liegt.
Restriktionsenzyme stammen aus Bakterien. Mit ihnen schützen sich die Mikroben vor Viren-DNA. Sie erkennen das fremde Erbgut anhand der Bausteinabfolgen, die im Bakterium-Erbgut nicht vorkommen oder durch chemische Schutzgruppen vor dem Enzym bewahrt werden, und zerstören es dann. Dde1 stammt aus Sulfat-liebenden Bakterien, die vor über 30 Jahren in Norwegen entdeckt wurden. Dass es ausgerechnet die mutierte Variante des Läufer-Gens zerschneidet, die unveränderte jedoch verschont, ist reiner Zufall. Aber einer, der uns helfen wird.
Zunächst schaben sich beide Sportler mit einem sterilen Wattestäbchen Schleimhautzellen von der Wangeninnenseite, um an deren DNA heranzukommen. Gleichzeitig wollen wir dieses Mal aber versuchen, Erbgut auch aus einer Blutprobe zu gewinnen. Forschung kann schmerzhaft sein. Der Selbstversuch hat aber gerade in der physiologischen und medizinischen Forschung eine lange Tradition. Im Vergleich zu historischen Beispielen wie John Hunter, der sich absichtlich selbst (und ohne jeden Spaß, sondern per Nadel) mit Geschlechtskrankheiten infizierte, oder John Haldane, der es, bis er blau anlief, in Unterdruckkammern aushielt, ist ein steriler Stich in die Fingerkuppe eher ein Vergnügen. Mit der Nadel kurz und fast schmerzlos durch die Haut, und dann quetschen, bis wir genug haben, etwa zwei große Tropfen brauchen wir.
Um es kurz zu machen: Der Mini-Aderlass war vergeblich, wir bekommen keine DNA aus dem Blut. Warum? Keine Ahnung. Aberimmerhin klappt es diesmal auf Anhieb mit den Zellen aus der Mundschleimhaut, die ja exakt das gleiche Erbmaterial enthalten. Wir müssen nicht das ganze Gen kopieren, sondern nur einen großzügigen Bereich um die Mutation herum. Dieses Mal klappt es wie am Schnürchen, wir sehen wie vorgesehen ein etwa 290 Bausteine großes Genfragment im Gel schimmern.
Aber das war nur der Test. Erst jetzt kommt die molekulare Schere Dde1 zum Einsatz. Wir pipettieren ein winziges Tröpfchen, ein Tausendstel Milliliter von der Lösung, in der das Enzym geliefert wurde, zu unseren Genfragmenten und geben Dde1 etwas Zeit zu wirken. Weil wir die gesamte Sequenz des Läufergens aus einer Datenbank kennen, wissen wir, dass die Schere unser 290 Bausteine langes DNA-Stück an genau einer Stelle zerschneidet, sodass ein 205 und ein 85 Bausteine langes Stück entstehen werden. Das gilt allerdings nur für das nicht mutierte Gen. Denn liegt jene winzige Veränderung des einen ausgetauschten Bausteins vor, kann Dde1 zwei mal schneiden. In diesem Fall entstehen drei Bruchstücke, die 108, 97 und 85 Bausteine lang sind.
Bei solch kleinen Genfragmenten ist unsere Gel-Elektrophorese allerdings überfordert. Oder wir. In einer Probe sehen wir jedenfalls nur eine Bande, die nach unserer Berechnung Genfragmente enthält, die die erwarteten 205 Bausteine lang sind. Sie gehört Sascha, dem Sprinter aus unserem Laufduo. Wir folgern daraus, dass die Schere tat, was sie tun sollte. Sie schnitt – aber nur an einer Stelle. Also keine Mutation! Das würde zu den schwachen Leistungen Saschas auf der Langstrecke passen. In der Gelspur des Ausdauertalents hingegen sehen wir keinen Schimmer. Haben wir wieder etwas falsch gemacht? Wir wiederholen das Experiment, das Ergebnis ist das gleiche.
Wir entschließen uns, die Ergebnisse so zu interpretieren: Unser Scherenenzym hat bei Sascha
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