Biohacking - Gentechnik aus der Garage
Ethanol aus einer kleinen Plastikflasche. Er tut dies nicht, weil er nach der Arbeit der vergangenen Wochen etwa zimperlich geworden wäre, sondern um die Wahrscheinlichkeit zu reduzieren, dass er das Erbgut zweier Hundein einer Tüte vermischt. Schon eine kleine Menge Speichel eines anderen Hundes könnte das Ergebnis verfälschen. Natürlich wäre jedes Mal ein neues Paar Gummihandschuhe noch besser gewesen, aber eben auch ein bisschen zu auffällig im Park.
Zurück im Labor lassen wir den Hundespeichel von jedem Ball in kleine Plastikgefäße tropfen und gewinnen Erbgut aus den im Sabber schwimmenden Schleimhautzellen des individuellen Hundemauls. Das haben wir bereits mit Speichelproben von uns selbst gemacht, und wir fühlen uns dabei einigermaßen professionell. Bis wir das Ergebnis der anschließenden Genkopiererei sehen. Statt der präparierten zwölf genetischen Fingerabdrücke sehen wir nur vier. Es bleibt das Rätsel der Biomoleküle, was aus den anderen acht geworden ist. Bei einem der gefühlten 99 Arbeitsschritte für jede Probe ist wohl etwas schiefgegangen.
Tatsächlich aber sind wir diesmal nicht einmal enttäuscht über unser zumindest teilweises Scheitern.
Denn einerseits erkennen wir in einer der Proben, bei denen der Versuch geklappt hat, das gleiche Bandenmuster wie jenes aus dem Hundehaufen. So ganz sicher fühlen wir uns nicht, denn all die anderen Proben haben ja nicht funktioniert, aber „Klein, schwarz, pudelähnlich“ könnte zumindest der Täter gewesen sein.
Andererseits sind wir froh, dass wir diesen Versuch jetzt abbrechen können, und das in einem Stadium, in dem wir wissen, dass die Methode im Prinzip funktioniert, in dem wir aber noch nicht vollständig zur Hundehaufen-Stasi geworden sind.
Denn sosehr man sich über nachlässige Hundehalter aufregen kann, so sehr muss man sich fragen, wie weit man für eine leicht verbesserte Chance, mit sauberen Schuhen heimzukommen, zu gehen bereit ist. Und man muss sich fragen, wie weit man in anderen Situationen, in denen genetische Analysen helfen könnten, Fragen zu beantworten, zu gehen bereit wäre.
Tatsächlich wollten wir natürlich von Anfang an keine Hundehalter an den Pranger stellen. Vielmehr wollten wir probieren und aufzeigen, was mit dieser Technik möglich ist und wie man sie, etwa auch mit menschlicher DNA, vielleicht sogar missbrauchen könnte. Und wir wollten auch testen, wie fehleranfällig sie sein kann. All das ist klassisches Hacker-Handwerk.
Den kleinen schwarzen Köter hatten wir beim Ballspiel im Park ohnehin längst ins Herz geschlossen. Und sein Frauchen, bei der schon vorher ein paar Indizien dafür sprachen, dass sie und ihr Hund in den Fall verwickelt sein könnten, hatten wir sogar vorab schon freundlich und mit Augenzwinkern informiert. Sie fand das alles ziemlich interessant – und wir finden jetzt seltener Hundehaufen.
Aber der wahre Grund für den Hund als Versuchsobjekt war nicht unser Frust über stinkende Schuhsohlen, sondern die deutsche Gesetzeslage.
In Deutschland ist es, wie bereits erwähnt, verboten, die DNA eines anderen Menschen ohne dessen Zustimmung zu untersuchen. Laut Gendiagnostik-Gesetz (Paragraph 17, Absatz 1) darf „eine genetische Untersuchung zur Klärung der Abstammung nur vorgenommen werden, wenn die Person, deren genetische Probe untersucht werden soll, zuvor über die Untersuchung aufgeklärt worden ist und in die Untersuchung und die Gewinnung der dafür erforderlichen genetischen Probe eingewilligt hat“.
Gemeint sind hier natürlich in den allermeisten Fällen Vaterschaftstests. Molekularbiologisch gesehen passiert bei einem solchen nichts anderes, als dass die genetischen Fingerabdrücke zweier Menschen miteinander verglichen werden. Laut Paragraph 25, Absatz 1 wird mit „Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe (...) bestraft, wer (...) eine genetische Untersuchung oder Analyse ohne die erforderliche Einwilligung vornimmt“. 32
Hätten wir unsere Forensik nicht mit Hunde-, sondern mit menschlicher DNA gemacht, hätten wir das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Die PCR-Reaktion macht indes keinen Unterschied zwischen Hunde- oder Menschen-DNA. Uns hat es noch tagelange Arbeit und viele Nerven gekostet, und unser Ergebnis war unvollständig. Aber wenn sich die Do-it-yourself-Biologie so rasant weiterentwickelt wie in ihren ersten fünf Jahren, dann könnte es bald so einfach wie ein Schwangerschaftstest sein, das Erbgut der
Weitere Kostenlose Bücher