Biohacking - Gentechnik aus der Garage
eine Stelle zum Schneiden gefunden, denn zumindest das eine Fragment mit der für Sprintertypen erwarteten Länge sehen wir ja deutlich in unserem Gel. Bei seinem Laufpartner hat es aber an zwei Stellen geschnitten, was zum Marathon-Mann passen würde. Das Fehlen jeglicher DNA-Spuren in dessen Gel erklären wir uns damit, dass wir die drei sehr kleinen Genfragmente mit unseren Mitteln schlicht nicht sehen können – sie schimmern zu schwach für unser Auge. Aber vielleicht hat Saschas Laufpartner jaüberhaupt keine Gene, sondern ist so was wie eine androide Laufmaschine, scherzen wir.
Beide Erklärungsversuche würde ein echter Wissenschaftler oder eine wahre Forscherin jetzt gegeneinander aufwiegen, sich für den wahrscheinlicheren entscheiden und diesen dann so lange experimentell überprüfen, bis das Ergebnis eindeutig ist. Wir allerdings, haben erst einmal genug. Die Tage im Labor haben nicht nur Geduld und Nerven gekostet, sondern auch Geld und vor allem Zeit, in der wir normalerweise unseren Lebensunterhalt verdienen. Die Kontoauszüge sprechen im Herbst 2010 eine deutliche Sprache. Reality Check: Biologie ist eben nur unser Hobby, Hobbys verfolgt man zum Spaß und in der Freizeit. Wir wussten von Anfang an, dass wir Kreisliga B spielen statt Champions League. Wir sind keine Profis, unsere Ergebnisse sind nicht professionell, wir sind nicht gut ausgestattet und nicht gut ausgebildet und werden für das Biologie-Machen auch nicht bezahlt.
Wenn wir ehrlich sind, lautet die Bilanz nach unserem DIY-Bio-Versuch Nummer drei: Wir haben es wieder nicht hinbekommen, eindeutige Ergebnisse zu produzieren. Wir hatten Spaß, Herausforderung, Frust und Erfolg. Aber wir haben es wieder nicht geschafft, die Experimente so abzuschließen, dass jede Frage vollständig und unumstößlich abgesichert beantwortet ist. Wir haben eben Freizeit-Biologie mit einfachsten Mitteln betrieben. Damit sind wir die absolut prototypischen Biohacker oder DIY-Biologen der Gegenwart: winziges Labor, kleines Budget, mittlere Bildung, große Pläne, riesige Frustration. Dann erzielen wir kleine Erfolge und gewinnen die Sicherheit, dass das, was man machen will, prinzipiell funktioniert. Aber bislang kam nichts bei unseren Experimenten herum, was sich ernsthaft Wissenschaft oder Biotech nennen könnte. Wir können ein Buch über unsere mehr oder minder erfolgreichen Versuche schreiben, aber noch keine wissenschaftliche Publikation für ein Fachjournal.
Und dass Saschas mäßige Ausdauerleistungen nun wirklich mit einem Gen zusammenhängen müssen, stellt er selbst in Frage. Ist es nicht wahrscheinlicher, dass sich das Gen, egal ob nun Sprinter- oder Läufervariante, in dem täglich an den Computer gefesselten Journalistenkörper gar nicht bemerkbar auswirkt? „Für die meisten vonuns faulen Tölpeln hat das Gen einen ziemlich trivialen Effekt“, schreibt Daniel McArthur, einer der Forscher, die ACTN3 und seine Auswirkungen auf die Muskelleistung erforschen, in seinem Weblog. 34 Er meint damit: praktisch keinen. Der Einfluss der ACTN3-Mutation gehe fast vollständig unter in den Unterschieden von Ernährung, Trainingsstand und vor allem Dutzenden oder sogar Hunderten anderer, größtenteils unbekannter Gene, die die physiologische Leistungsfähigkeit beeinflussen. So ist auch zu erklären, dass es, wenn auch selten, trotzdem in Grundschnelligkeit fordernden Disziplinen Weltklasse-Athleten mit ACTN3-Mutation gibt. Ein Beispiel ist ein (in der entsprechenden Fachpublikation nicht namentlich genannter) spanischer Weitspringer. Trotz funktionslosen Gens kam er auf eine persönliche Bestmarke von 8,26 Meter, 35 eine Weite, die bei den Olympischen Spielen 2012 in London für die Silbermedaille gereicht hätte.
Vielleicht ist der Einfluss des Läufer-Gens auf unser Leben nur sehr klein, das Wissen um den eigenen ACTN3-Status mag belanglos sein oder bestenfalls eine Spielerei. Und es ist, soweit bekannt, nicht medizinisch relevant. 36 Aber unser Experiment hat uns ein paar wichtige Probleme vor Augen geführt, teils praktischer, teils juristischer Natur:
Da ist einerseits die Tatsache, dass man als Amateur bei der Gendiagnose so viele Fehler machen kann, dass man eigentlich bei jedem unter solchen Bedingungen zustande gekommenen „Ergebnis“ skeptisch sein muss.
Aber selbst, wenn wir mit unserer Analyse völlig falsch liegen sollten, was soll schon für ein Schaden entstanden sein? Unsere abseits leistungssportlicher Ambitionen geführten Leben
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