Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
stark gechlorte Dusche. Verlässt sie auf der anderen Seite wieder.
Ein junger Mann reicht ihr einen Laborkittel und gleicht ihre Identität noch einmal mit einer Liste ab. Er erklärt ihr, dass sie sich keiner zusätzlichen Sicherheitsprozeduren unterziehen muss, und führt sie dann weitere Korridore entlang.
Die Wissenschaftler hier haben das Aussehen von Menschen, die wissen, dass sie eine fast aussichtslose Schlacht schlagen. Die wissen, dass nur wenige Türen entfernt ein Grauen von apokalyptischem Ausmaß droht. Wenn Kanya darüber nachdenkt, bekommt sie eine Gänsehaut. Jaidee war da stärker. Er glaubte an seine früheren Leben und an seine künftigen. Kanya dagegen? Sie wird ein Dutzend Mal wiedergeboren werden, um an Cibiskose zu sterben, bevor ihr gestattet wird, weiterzukommen. Kamma.
»Das hätten Sie sich überlegen sollen, bevor Sie mich verraten haben«, sagt Jaidee.
Kanya stolpert, als sie die Stimme hört. Jaidee folgt ihr in einer Entfernung von nur wenigen Schritten. Kanya stößt ein lautes Keuchen aus und presst sich mit dem Rücken an die Wand. Jaidee legt den Kopf schief und mustert sie eingehend. Kanya stockt der Atem. Wird er sie einfach erwürgen, um ihr den Verrat heimzuzahlen?«
Ihr Führer bleibt stehen. »Ist Ihnen nicht wohl?«, fragt er.
Jaidee ist nirgendwo zu sehen.
Kanya hämmert das Herz in der Brust. Sie schwitzt. Wenn sie sich noch tiefer innerhalb des abgeschotteten Bereichs befände, müsste sie verlangen, unter Quarantäne gestellt zu werden, darum bitten, nie wieder hinausgelassen zu werden, weil irgendein ein Bazillus oder ein Virus sie heimgesucht hatte und sie sterben würde.
»Mir geht … «, würgt sie hervor und muss plötzlich an das Blut auf der Treppe vor General Prachas Verwaltungsgebäude denken. Jaidees entstellte Leiche, die Gestalt gewordene Grausamkeit.
»Brauchen Sie einen Arzt?«
Kanya bemüht sich, ruhig zu atmen. Jaidee geistert ihr nach. Sein Phii verfolgt sie. Sie versucht, ihre Angst unter Kontrolle zu bekommen. »Mir geht es gut.« Sie nickt dem jungen Mann zu. »Gehen wir. Bringen wir es zu Ende.«
Kurz darauf deutet ihr Führer auf eine Tür und bedeutet ihr mit einem Kopfnicken, dass sie eintreten soll. Als Kanya die Tür öffnet, blickt Ratana von ihren Akten auf. Ein Monitor beleuchtet ihr Gesicht. Sie lächelt.
Die Computer hier unten haben alle große Bildschirme. Manche Modelle gibt es seit über fünfzig Jahren nicht mehr, und sie verbrennen mehr Energie als fünf neue, aber sie funktionieren, und deshalb werden sie auf das Sorgfältigste gewartet. Trotzdem, bei dem Gedanken an die Unmengen von Energie, derer sie bedürfen, bekommt Kanya weiche Knie. Sie sieht förmlich, wie im Gegenzug das Meer ansteigt. Es ist entsetzlich, neben einem solchen Ding stehen zu müssen.
»Danke, dass du gekommen bist«, sagt Ratana.
»Natürlich.«
Über ihre früheren Rendezvous verlieren sie kein Wort. Als hätten sie keine gemeinsame Vergangenheit, in der so manches schiefgelaufen ist. Kanya war einfach nicht in der Lage, mit einer Frau Tom und Dee zu spielen, die sie in absehbarer Zeit verraten würde. Das war sogar für sie der Scheinheiligkeit zu viel. Trotzdem, Ratana ist noch immer wunderschön. Kanya erinnert sich noch, wie sie während des Loi Kratong lachend in einem Boot über den Chao Phraya ruderten, um sich herum zahllose leuchtende Papierschiffchen. Sie weiß noch, wie es sich anfühlte, als Ratana sich an sie schmiegte, während die Wellen sie umspülten und Tausende von kleinen Kerzen brannten, das Wasser von den Wünschen und Gebeten der ganzen Stadt übersät.
Ratana winkt sie zu sich. Zeigt ihr auf dem Bildschirm eine Reihe von Fotografien. Ihr Blick fällt auf das Hauptmannsabzeichen an Kanyas weißem Kragen. »Das mit Jaidee tut mir leid. Er war … ein guter Mann.«
Kanya zieht eine Grimasse und versucht, die Erinnerung an Jaidees Phii im Korridor abzuschütteln. »Er war ein besserer Soldat als ich.« Eingehend betrachtet sie die Leichen vor ihr auf dem leuchtenden Bildschirm. »Was sehe ich da?«
»Zwei Männer. Aus zwei verschiedenen Krankenhäusern.«
»Und?«
»Sie hatten etwas in sich. Etwas Besorgniserregendes. Allem Anschein nach eine Variante der Rostwelke.«
»Ja. Und? Sie haben etwas Verdorbenes gegessen. Sie sind gestorben. Na, wenn schon.«
Ratana schüttelt den Kopf. »Es hat sich in ihnen eingenistet. Sich fortgepflanzt. Ich habe noch nie erlebt, dass Säugetiere der Rostwelke als Wirt dienen
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