Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
ihnen dringt noch immer der Jubel im Muay-Thai -Stadion aus dem Radio. Charoen und Sakda. Ein guter Kampf. Aber entweder hat Charoen eine Menge dazugelernt, oder Sakda ist dafür bezahlt worden zu verlieren. Kanya kann ihren Wetteinsatz abschreiben. Das riecht nach einem abgekarteten Spiel. Vielleicht hat sich der Kadaverkönig eingemischt. Kanya verzieht ärgerlich das Gesicht.
»Ein schlechter Kampf?«, fragt Narong.
»Ich setze immer auf den Falschen.«
Narong lacht. »Deshalb ist es hilfreich, vorab an Informationen zu kommen.« Er reicht ihr einen Fetzen Papier.
Kanya überfliegt die Namensliste. »Das sind alles Freunde von Pracha. Manche davon sogar Generäle. Sie stehen unter seinem Schutz, wie die Kobra über den Buddha wachte.«
Narong grinst. »Umso überraschter werden sie sein, wenn er sich plötzlich gegen sie wendet. Nehmen Sie sie in die
Mangel. Es muss richtig wehtun. Zeigen Sie ihnen, dass niemand das Umweltministerium auf die leichte Schulter nehmen darf. Dass das Ministerium alle Verstöße gleichermaßen ahndet. Keine Vetternwirtschaft mehr! Führen Sie ihnen vor Augen, dass das Umweltministerium unnachgiebig ist.«
»Sie möchten einen Keil zwischen Pracha und seine Verbündeten treiben? Sie wütend auf ihn machen?«
Narong zuckt mit den Schultern. Erwidert nichts. Kanya isst ihre Nudeln auf. Als ihr keine weiteren Anweisungen mehr erteilt werden, steht sie auf. »Ich muss los. Meine Männer dürfen uns nicht miteinander sehen.«
Narong entlässt sie mit einem Kopfnicken. Kanya stolziert aus der Garküche hinaus, während die Radiozuhörer erneut ein enttäuschtes Stöhnen ausstoßen – Sakda lässt sich offenbar von Charoens wiedererwachter Wildheit einschüchtern.
An der Straßenecke zieht Kanya im grünen Schein des Methans ihre Uniform straff. Auf ihrer Jacke sind Flecken – Überbleibsel der Zerstörung, die sie in den letzten Stunden angerichtet hat. Angewidert runzelt sie die Stirn. Fährt mit der Hand darüber. Betrachtet noch einmal die Liste, die Narong ihr gegeben hat, und prägt sich die Namen ein.
Bei diesen Männern und Frauen handelt es sich um die engsten Freunde von General Pracha. Und sie wird nun mit derselben Strenge gegen sie vorgehen wie gegen die Yellow Cards in ihren Hochhäusern. So energisch wie General Pracha vor vielen Jahren gegen ein kleines Dorf im Nordosten vorgegangen ist, wobei er hungernde Familien und brennende Hütten zurückließ.
Schwierig. Aber ausnahmsweise auch fair.
Kanya zerknüllt die Liste in ihrer Hand. So ist es nun mal auf unserer Welt, denkt sie bei sich. Wie du mir, so ich dir, bis wir alle tot sind und die Cheshire unser Blut auflecken.
Sie fragt sich, ob es früher wirklich besser war, ob es wirklich
einmal ein Goldenes Zeitalter gegeben hat, angetrieben von Erdöl und Technologie. Eine Zeit, als nicht jede Lösung eines Problems sofort ein weiteres Problem nach sich zog. Sie möchte die Farang verfluchen, die das alles verschuldet haben. Die Kalorienmänner mit ihren auf Hochtouren arbeitenden Laboren und ihren sorgsam herangezogenen Getreidesorten, die, so hieß es, die ganze Welt ernähren würden. Mit ihren optimierten Tieren, die so viel weniger Kalorien benötigen und so viel effizienter sind. Die AgriGens und PurCals, die behaupteten, ihnen käme es nur darauf an, den Hunger auszurotten, ihr patentiertes Getreide zu exportieren, und dann fanden sie immer eine Entschuldigung, das hinauszuzögern.
Ach Jaidee, denkt sie. Es tut mir leid. Es tut mir so leid. Wegen allem, was ich Ihnen und Ihrer Familie angetan habe. Eigentlich wollte ich Ihnen gar nicht wehtun. Wenn ich gewusst hätte, wie hoch der Preis dafür ist, an Pracha Rache zu nehmen, wäre ich nie nach Krung Thep gekommen.
Anstatt ihren Soldaten zu folgen, sucht sie einen Tempel auf. Es ist nur ein winziger Nachbarschaftsschrein, um den sich eine Handvoll Mönche kümmern. Ein kleiner Junge kniet neben seiner Großmutter vor dem glitzernden Bildnis des Buddha, ansonsten ist der Raum leer. Kanya kauft dem Händler am Eingang ein paar Räucherstäbchen ab und geht hinein. Sie zündet sie an und kniet nieder, hält sich die brennenden Stäbchen an die Stirn und hebt sie dreimal hoch, um zu den drei Juwelen – Buddha, Dharma und Sangha – Zuflucht zu nehmen. Sie betet.
Wie viele böse Taten hat sie begangen? Wie viel schlechtes Kamma hat sie auf sich geladen? War es wichtiger, Akkarat treu zu bleiben und seinen Versprechen zu glauben, dass er die Waage ins
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